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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Schöneres gesehen zu haben.
    Vom Achterdeck der Marietta konnte er auf sie herunterblicken. Auf einem großen Stück Segeltuch waren Leichen aufgetürmt, und ihre Segel waren gerefft wie die Röcke einer alten Hure, aber ihr Rumpf glänzte, und ihre klaren Umrisse waren wie Musik.
    Er schwankte, und Etta stützte ihn. Gankis hielt jetzt das Steuer. Der alte Seemann warf ihm einen merkwürdigen Blick zu, halb mitleidig und halb furchtsam.
    »Ich weiß nicht, wo Eure Krücke ist. Hier, ich führe Euch zur Reling.«
    Sie stöhnte vor Anstrengung. Er taumelte neben ihr her, bis er die Reling mit den Händen packen konnte. »Mein Liebster«, sagte Etta sehr leise. »Ihr solltet nach unten gehen und eine Weile ruhen. Lasst Sorcor das Zauberschiff für Euch entern.«
    »Nein«, erwiderte er barsch. Es fiel ihm so schwer, auf seinem Bein stehen zu bleiben, und sie zwang ihn, seine Energie in einer albernen Auseinandersetzung zu verschwenden. »Nein, sie ist mein, und ich werde unter den Ersten auf ihrem Deck sein.«
    »Bitte«, bat Etta mit brüchiger Stimme. »Mein Liebling, meine Liebe. Wenn Ihr Euch jetzt sehen könntet…«
    »Sar!«
    Sorcor war zu ihnen getreten, und er stieß das Wort unwillkürlich aus. »Oh, Kennit, Sir…«
    »Ich führe die Entermannschaft«, sagte er zu Sorcor. Sein Maat würde sich ihm nicht widersetzen. Er würde die verdammte Frau dazu bringen, endlich aufzuhören, mit ihm zu streiten.
    »Jawohl, Sir«, bestätigte Sorcor diesen Befehl sehr ruhig.
    »Das meint Ihr doch nicht im Ernst!«, schrie Etta Sorcor an.
    »Seht ihn an! Er ist erschöpft. Ich hätte ihn niemals an Deck gelassen, wenn ich gewusst hätte, was es kostet…«
    »Lasst ihn gehen.«
    Sorcor blieb ruhig. Er hatte Kennits Krücke mitgebracht, aber er legte sie jetzt vorsichtig auf die Planken der Marietta . »Ich werde Euch einen Bootsmannsstuhl machen, Sir. Und dann bringe ich Euch sicher an Bord Eures Lebensschiffes.«
    »Aber…«, begann Etta, doch Sorcor schnitt ihr das Wort ab.
    »Ich habe es ihm versprochen«, sagte er barsch. »Seht ihn an, Weib. Ich werde mein Versprechen an meinen Kapitän halten.«
    Und leiser fügte er hinzu »Etwas anderes können wir kaum tun.«
    »Aber…«, wiederholte sie und sah dann Kennit an. Als sie seinem Blick begegnete, wurde sie ganz ruhig. Sie hielt die Luft an und betrachtete ihn nur. Schließlich richtete sie ihren Blick wieder auf Sorcor. »Ich gehe mit ihm«, verkündete sie ruhig.
    »Wir beide gehen mit ihm«, bestätigte er.

19. Veränderung

    Der Maat weckte Althea aus einem tiefen Schlaf, als er vorsichtig an ihrem Ärmel zupfte. »Heh«, sagte Grag Tenira. »Der Kapitän will dich sehen. Er ist auf Ankerwache, also wartet er an Deck auf dich. Beweg dich.«
    Grag drehte sich um und ging hinaus, ohne abzuwarten, ob sie gehorchen würde.
    Eine Sekunde später landeten Altheas nackte Füße an Deck.
    Im Vorschiff war es dunkel und still. Der Rest der Mannschaft hatte heute Freiwache. Und sie waren ohne Ausnahme an Land gegangen, um zu feiern. Althea hatte jedoch mehr Sehnsucht nach Einsamkeit als nach Bier. Deshalb hatte sie getan, als wäre sie pleite, und war an Bord geblieben, um zu schlafen.

    Die Ophelia war in der kleinen Hafenstadt Kinstin vor Anker gegangen. Es war eine der wenigen vollständig legitimen Siedlungen auf den Inseln der Inneren Passage. Ursprünglich war sie neben einer Zinnmine gegründet worden. Da sie auch über ergiebige Frischwasserzellen verfügte, entwickelte sich diese Stadt mit wohlhabenden Zinnhändlern bald zu einem Handelszentrum. Die Einwohner konnten sich sogar einige der Regenwildgüter leisten, die Tenira anzubieten hatte. Der Kapitän machte außerdem einen netten Profit mit einigen Fässern gepökeltem Fleisch, die er in Jamaillia-Stadt gekauft hatte, und deckte sich mit Zinnwaren ein, die er in Bingtown verkaufen wollte. Der Mann war ein gerissener Händler. Schon in der kurzen Zeit, die sie mit ihm segelte, hatte Althea angefangen, ihn zu bewundern.
    Als sie aufs Deck hinaustrat und sich nach Kapitän Tenira umsah, fiel ihr plötzlich die merkwürdige Situation auf. Der Kapitän war auf Wache im Hafen? Und er schickte seinen Ersten Maat, um sie zu holen? Ein schrecklicher Verdacht keimte in ihr auf. Ophelia hatte ihr Geheimnis enthüllt. Als Althea den Kapitän sah, der neben der Galionsfigur stand und seine Pfeife rauchte, wurde ihr Verdacht zur Gewissheit. Der junge Seemann an der Reling war Grag, der darauf wartete, ihrer Enttarnung als

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