Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
Zeuge beizuwohnen. Ihr Herz begann zu rasen.
Althea blieb einen Moment im Schatten stehen, strich sich ihren schwarzen Zopf glatt und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Dann zupfte sie ihre verschlissene Kleidung so ordentlich zurecht wie möglich. So schlimm es war, von der Reaper geworfen zu werden, dies hier würde noch viel schlimmer.
Diese Männer kannten ihre Familie und würden die Geschichte zu Hause verbreiten. Also. Kopf hoch. Keine Tränen, keinen Ärger! ermahnte sie sich. Bleib würdevoll und stolz. Sie wünschte nur, ihr Magen würde sich beruhigen. Und sie wünschte sich, sie hätte etwas mehr Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten.
Als sie weiterging, hörte sie die volltönende Stimme Ophelias, beinahe so, als beabsichtige sie, dass Althea die Worte hörte.
»Und du, Tomie Tenira, verwandelst dich immer mehr in einen verschrobenen, alten Griesgram, der kein bisschen Abenteuerlust mehr in den Knochen hat.«
»Ophelia!«, warnte der Kapitän sie.
»Und auch keinen Funken Humor«, sagte Ophelia zu Grag.
Das Licht der Laterne ließ das Gesicht des Maats im Schatten, und er kommentierte die Bemerkung des Schiffes auch nicht.
Althea lächelte sarkastisch. Was Grag Tenira wohl jetzt von seiner ehemaligen Tanzpartnerin hielt?
Ihr Lächeln verschwand, und ihre Miene blieb teilnahmslos, als sie jetzt Tenira begrüßte. »Melde mich zur Stelle, Sir.«
»Tatsächlich!«, meinte Kapitän Tenira nachdrücklich und nahm die Pfeife aus dem Mund. »Du weißt, worum es hier geht, richtig?«
Sie versuchte, nicht zusammenzuzucken. »Ich fürchte ja, Sir.«
Tenira lehnte sich seufzend an die Reling. »Wir haben die Sache besprochen, Grag und ich. Und Ophelia hat ihre Meinung dazu geäußert. Mehr als das, wie üblich. Ich will nur dein Bestes, junge Frau. Such deine Sachen zusammen. Grag gibt dir Geld und bringt dich an Land. In der Clamshell-Straße ist eine Pension. Die ist sauber. Er bringt dich sicher dorthin.«
»Sir«, antwortete Althea hoffnungslos. Wenigstens schrie er sie nicht wütend an. Indem er seine Würde wahrte, gestattete er Althea, die ihre zu behalten. Dafür war sie ihm dankbar. Aber Ophelias Verrat an ihrem Vertrauen traf sie trotzdem. Sie sah an ihm vorbei zur Galionsfigur, die sie schüchtern über ihre nackte Schulter hinweg betrachtete. »Ich hatte dich gebeten, mich nicht zu verraten«, tadelte sie sie leise. Sie musterte das Gesicht der Galionsfigur. »Ich kann nicht glauben, dass du mir das angetan hast.«
»Aber, Schätzchen, das ist nicht fair! Überhaupt nicht fair!«, protestierte Ophelia ernst. »Ich habe dich gewarnt. Du konntest wirklich nicht erwarten, dass ich ein solches Geheimnis vor meinem Kapitän geheimhalten würde. Und ich habe dir auch versprochen, einen Weg zu suchen, wie du unter deinem eigenen Namen an Bord bleiben könntest, wenn du wolltest. Wie hätte ich das tun können, ohne ihnen deinen wahren Namen zu verraten?«
Ophelia drehte sich zu ihrem Kapitän um. »Tomie, du genießt das hier! Schäm dich! Erzähl ihr alles, und zwar sofort.
Das arme Mädchen glaubt, du willst sie hier aussetzen.«
»Es ist Ophelias Idee, nicht meine«, bemerkte der Kapitän knurrend. »Sie scheint einen Narren an dir gefressen zu haben.«
Er zog an seiner Pfeife, während Althea voller Spannung wartete. »Grag wird dir genug Geld geben, damit du dich zurechtmachen kannst. Ein Bad, ordentliche Kleidung und dergleichen. Morgen Nachmittag kommst du wieder an Bord, und zwar als Althea Vestrit. Und wir bringen dich nach Hause.«
»Und dann«, mischte sich Ophelia aufgeregt ein, »und dann, dann kommt der beste Teil, Schätzchen, und du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schwer es war, Tomie dazu zu überreden.
Grag war kein Problem, natürlich nicht, Grag ist immer leicht zu überzeugen, nicht wahr, mein Lämmchen?«
Sie wartete nicht einmal die gemurmelte Zustimmung des Maats ab. »Du wirst für den Rest der Fahrt als Erster Maat arbeiten«, erklärte sie Althea fröhlich. »Weil Grag einen Tag, nachdem wir Kinstin verlassen haben, so schreckliche Zahnschmerzen bekommt, dass er an seine Koje gefesselt ist. Und Tomie wird dich bitten einzuspringen, weil er weiß, dass du mit deinem Vater gesegelt bist.«
Grag beugte sich vor, um ihren Gesichtsausdruck zu betrachten. Als er ihre Verblüffung bemerkte, lachte er laut auf.
Der Blick seiner blauen Augen suchte den von Ophelia, und die beiden genossen ihr gemeinsames Vergnügen.
»Meint Ihr das wirklich ernst?«, fragte
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