Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
sagen, Ihr wärt zu sehr von Euch eingenommen. Zu viele Piraten heißt, die Beute wird knapper. Und zu viele Piraten, die Sklavenschiffe überfallen, könnten den Satrapen so wütend machen, dass der seine Galeeren hierherschickt. Fette Handelsschiffe zu überfallen ist eine Sache, Jungchen. Aber der Satrap bekommt einen Anteil an diesen Sklavenverkäufen. Wir wollen doch nicht in den Taschen von dem Mann wühlen, der die Kriegsschiffe ausstattet. – Ihr versteht, worauf ich hinauswill?«
»Allerdings«, erwiderte Kennit steif. Er spielte mit dem Gedanken, den Alten umzubringen.
Der alte Mann hustete und spuckte erneut aus. »Was ich dazu sage«, fuhr er krächzend fort, »das ist: mehr Macht für Euch.
Gebt’s ihm, Jungchen, und versetzt ihm auch ein paar Schläge für mich. Wird allmählich Zeit, dass ihm jemand zeigt, dass blaue Farbe auf dem Gesicht eines Mannes nicht heißt, er wäre kein Mann mehr! Allerdings würde ich das niemandem hier auf die Nase binden. Einige könnten auf die Idee kommen, ich sollte lieber die Klappe halten, wenn sie mich so reden hören.
Aber als ich gesehen habe, dass Ihr es seid, dachte ich, ich sollte Euch eins sagen: Nicht jeder, der hier den Mund hält, ist gegen Euch. Das ist alles.«
Er hustete wieder. Es klang schmerzhaft.
Kennit stellte amüsiert fest, dass er in seinen Taschen wühlte.
Er holte eine Silbermünze heraus und reichte sie dem Mann.
»Versucht ein bisschen Brandy gegen den Husten, Sir. Und einen schönen Abend.«
Der Alte sah verblüfft auf die Münze. Dann hielt er sie hoch und drehte sie, während Kennit wegging. »Ich werde auf Eure Gesundheit trinken, Sir, das werde ich!«
»Auf meine Gesundheit«, murmelte Kennit. Nachdem er angefangen hatte, mit sich zu reden, schien er nicht mehr damit aufhören zu können. Vielleicht war das ein Nebeneffekt der zufälligen Menschenfreundlichkeit. Tauchte Verrücktheit nicht immer im Duett auf? Er vertrieb den Gedanken aus seinem Kopf. Zuviel Grübeln führte nur zu Trübseligkeit und Verzweiflung. Es war besser, nicht nachzudenken, besser, wie Sorcor zu sein, der sich vermutlich selbst jetzt noch eine errötende Jungfrau in seinem Bett vorstellte. Es wäre besser für ihn, sich eine Frau zu kaufen, die überzeugend erröten und quietschen konnte, wenn es das war, was ihm gefiel.
Er war immer noch in Gedanken, als er zu Bettels Bagnio ging.
Für einen so kalten Abend trieben sich erheblich mehr Müßiggänger vor ihrer Tür herum, als er erwartet hätte. Zwei von ihnen waren die üblichen Türsteher. Sie grinsten unverschämt wie immer. Irgendwann werde ich etwas Endgültiges gegen ihr blödes Grinsen unternehmen, schwor er sich, »’n Abend, Kapitän Kennit«, begrüßte der eine ihn unverschämt.
»Guten Abend.«
Er sprach die Worte deutlich aus und unterlegte sie mit einer ganz anderen Bedeutung. Einer der Müßiggänger lachte laut auf. Es war ein trunkenes Lachen, das seinen Gefährten sofort ein Kichern entlockte. Hirnlose Gesellen. Er stieg rasch die Treppe hinauf und dachte, dass die Musik heute lauter klang, die einzelnen Töne härter gespielt wurden. In dem Haus ließ er die Dienste des Jungen über sich ergehen und nickte sachlich, um anzuzeigen, dass er zufrieden war, bevor er das innere Heiligtum betrat.
Dort nun sah er so viele Dinge, die anders waren als sonst, dass er leicht den Griff des Schwerts an seiner Hüfte berührte. Es waren zu viele Leute in dem Raum. Normalerweise trieben sich hier keine Kunden herum, weil Bettel es nicht erlaubte. Wenn ein Mann kam, um für eine Hure zu bezahlen, dann konnte er die Frau in eines der Separees mitnehmen und sich mit ihr vergnügen. Dies hier war kein billiger Seemannspuff, wo man die Waren betatschen und mustern konnte, bevor man eine kaufte. Bettel führte ein ordentliches Haus, diskret und würdevoll.
Aber heute hing der Geruch von Cindin schwer in der Luft, und die Männer lümmelten sich unverschämt in den Sesseln, in denen sich gewöhnlich die Huren zur Schau stellten. Die Prostituierten, die noch in dem Zimmer waren, standen oder hockten auf Männerschößen. Ihr Lächeln wirkte spröder, ihr Lachen gezwungener, und Kennit bemerkte, wie rasch ihre Blicke wieder zu Bettel glitten. Diesmal hatte sie ihre schwarzen Haare zu Löckchen gewickelt. Sie schwangen steif und glänzend um ihren Kopf. Trotz einer dicken Puderschicht stand ihr ein Schweißfilm auf Stirn und Oberlippe, und sie roch stärker als sonst nach Cindin.
»Kapitän Kennit, Ihr
Weitere Kostenlose Bücher