Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen
während das Gewicht des Sterbenden sie immer weiter hinunterstieß. Kennit schlug mehrmals blindlings mit dem Schwert nach unten, um sie ein wenig anzutreiben. Er hoffte, dass der Sterbende auf dem Boden lag und gegen ihre Beine drückte. Ihn zu erstechen wäre Kraftverschwendung gewesen, also platzierte er seine Stöße höher und wurde zu seiner Befriedigung mit zwei Schmerzensschreien belohnt.
Vielleicht waren sie durch die geschlossene Tür ja nicht zu hören. Kennit war sicher, dass ihn weiter oben noch mehr Überraschungen erwarteten. Es wäre nicht nett, ihnen die Vorfreude zu verderben.
Er hörte, wie die drei gegen die Tür schlugen, und sprang dann vor. Mit dem Schwert und dem Dolch stieß er immer wieder zu.
Hier war er im Vorteil, denn alles, was nicht zu ihm selbst gehörte, war der Feind. Sie dagegen mussten aufpassen, dass sie in dem dunklen, engen Treppenhaus nicht einen Kumpanen erstachen. Ein Mann jedenfalls suchte fluchend den Türknopf.
Schließlich fand er ihn, aber als die Tür sich öffnete, stürzte er zusammen mit seinen beiden sterbenden Gefährten auf den Treppenabsatz. Am Fuß der Treppe sah Bettel entsetzt vom Salon herüber.
»Ratten«, informierte Kennit sie gelassen. Ein kurzes Blitzen seines Schwerts, dann lag auch der letzte Mann sterbend am Boden. »Ungeziefer auf deiner Treppe. Du solltest das wirklich nicht zulassen, Bettel.«
»Sie haben mich gezwungen! Wirklich! Ich habe versucht, Euch davon abzuhalten hochzugehen, das wisst Ihr doch!«
Das Wehklagen der Frau folgte ihm, als er sich wieder umdrehte und ins Treppenhaus ging. Er schloss die Tür fest hinter sich und hoffte, dass die Geräusche nicht bis zu der Kammer ganz oben im Haus gedrungen waren. Leise wie eine Katze schlich er die dunkle Treppe hinauf. Mit der Schwertspitze voran tastete er sich weiter. Als er die zweite Tür erreichte, hielt er inne und lauschte. Wenn sie beunruhigt wären… nein, wenn sie auch nur ein bisschen schlau wären, dann hätten sie einen Mann hinter dieser Tür postiert. Er öffnete vorsichtig den Riegel, packte seine Waffen fester und trat durch die Tür. Er schlich dabei so leise und geduckt wie möglich. Nein. Es war niemand da.
Die Tür zu seiner üblichen Kammer war geschlossen. Das Geräusch von Stimmen drang hindurch. Sie redeten leise. Es waren Männerstimmen. Wenigstens zwei. Sie klangen ungeduldig. Zweifellos hatten sie vom Fenster aus gesehen, wie er sich Bettels Haus näherte. Warum hatten sie sich nicht hier oben auf die Lauer gelegt? Vielleicht hatten sie erwartet, dass ihre Gefährten ihn überwältigen und in den Raum schleppen würden.
Er dachte nach und klopfte dann laut an die Tür. »Hab ihn!«, rief er heiser und wurde belohnt. Ein Narr riss die Tür auf.
Kennit rammte ihm das Messer in den Bauch und zog es dann mit aller Kraft nach oben. Es richtete allerdings nicht soviel Schaden an, wie er gehofft hatte, und was noch schlimmer war:
Es verfing sich in dem weiten Hemd des Mannes. Kennit musste es loslassen. Er stieß den Kerl zurück und sprang vor, um sich dem nächsten zu stellen. Der erwiderte Kennits Schlag geschickt und stieß dann seinerseits zu. Diese Art zu fechten entsprach einem Gentleman. Das erkannte Kennit schnell, als er die Schwertspitze des anderen Mannes von seiner Kehle wegschlug. Es war ein deplatzierter Sinn für Höflichkeit und Effekthascherei.
Kennits Blicke zuckten durch den Raum. Es saß noch ein Mann mit einstudierter Gelassenheit auf einem Stuhl am Kamin.
Er hielt ein Glas Rotwein in der Hand, war aber klug genug, mit der anderen Hand das gezogene Schwert auf seinen Knien zu halten. Etta lag nackt auf dem Bett. Sowohl die Frau als auch die Laken waren mit Blut beschmiert. »Aha, König Kennit kommt seine Königin besuchen«, bemerkte der Sitzende gedehnt und deutete mit dem Glas auf die Hure. »Ich glaube nicht, dass sie Euch jetzt empfangen kann. Nach unserem kleinen Amüsement mit ihr ist sie… ein wenig indisponiert.«
Es sollte ihn ablenken, und es hätte auch beinahe funktioniert.
Es war bestürzend. Nein, es ärgerte ihn. Diese saubere und freundliche Kammer, die vergleichsweise Sicherheit von Bettels Haus hatte man ihm entrissen! Er würde sich in diesem Zimmer nie wieder erholen können. Diese Mistkerle!
Unbewusst hörte er die Schreie auf der Straße. Noch mehr von ihrer Sorte. Er würde den Gentlemanfechter schnell erledigen müssen und dann den Kerl auf dem Stuhl angreifen. Aber noch während er den Vorteil seiner
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