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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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was alle mir antun. Sie vernichten…«
    »Trotzdem sind diese Seeleute noch das, was sie waren, mit oder ohne Gliedmaßen«, fuhr Viviace unerbittlich fort. »Du bist kein Finger, Wintrow. Du bist ein Mann. Du schneidest dein Haar, deine Fingernägel und bist immer noch Wintrow und ein Mann. Und wenn du ein Priester bist, bleibst du das auch, mit zehn oder mit neun Fingern. Wenn du einen Finger verlieren sollst, dann verlierst du eben einen Finger. Aber benutz das nicht als Vorwand aufzuhören, du selbst zu sein.«
    Sie hielt inne und genoss das verdutzte Schweigen des Jungen. »Ich weiß nur sehr wenig von Sa, Wintrow. Aber ich weiß eine Menge von den Vestrits. Wozu du geboren bist, wirst du sein, ob es nun Priester oder Seemann sei. Lass nicht zu, dass sie etwas anderes aus dir machen. Sei selbst derjenige, der dich formt. Sei, wer du bist, und schließlich werden sie alle erkennen müssen, was du bist, ob sie es nun zugeben wollen oder nicht. Und wenn es dein Wille ist, dass du dich nach Sas Bildnis formst, dann tu es. Ohne zu jammern.«
    »Schiff.«
    Er sprach das Wort leise aus, aber es klang fast wie eine Beschwörung. Er legte seine Hand flach auf ihre Bohlen.
    Nach kurzem Zögern legte er auch seine verletzte Hand daneben.
    Zum ersten Mal, seit Althea das Schiff verlassen hatte, fühlte sie, wie jemand von ihrer Familie bewusst nach ihrer Stärke suchte, danach griff. Sie bezweifelte, dass er wusste, was er tat.
    Vielleicht dachte er, dass er zu Sa betete, als er den Kopf senkte und leise sprach. Aber ganz gleich, wen er um Stärke anflehte, es war sie, Viviace, die sie ihm gab.
    »Wintrow«, sagte sie leise, als er sein lautloses Gebet beendet hatte. »Geh jetzt zu deinem Vater und sag ihm, dass es getan werden muss. Und verlange, dass es hier getan wird, neben mir.
    Auf meine Veranlassung, wenn er dir deinen Wunsch nicht gewähren will.«
    Sie hatte befürchtet, dass er zögerte. Stattdessen erhob er sich mit einer fließenden Bewegung. Ohne ein weiteres Wort machte er sich auf den Weg zur Kapitänskajüte, wo er mit seiner unversehrten Hand vernehmlich an die Tür klopfte.
    »Herein!«, antwortete Kyle.
    Sie konnte nicht sehen, was in ihr passierte, aber sie war sich dessen auf eine Weise bewusst, für die Menschen keine Worte hatten. Also wusste sie von Wintrows pochendem Herzen und spürte das kurze Triumphgefühl, als Kyle von seinen Konnossementen hochblickte und beim Anblick seines Sohnes zusammenschrak, der da so unerschrocken vor ihm stand.
    »Was machst du hier?«, verlangte Kyle zu wissen. »Du bist der Schiffsjunge, nichts weiter. Komm mit deinem Gejammer nicht zu mir.«
    Wintrow blieb ruhig stehen, bis sein Vater fertig war. Dann antwortete er ruhig: »Mein Finger muss amputiert werden. Er ist zerschmettert worden, und jetzt ist er entzündet. Ich weiß schon, dass er nicht mehr heilen wird.«
    Er holte kurz Luft. »Ich hätte es gern hinter mich gebracht, solange es nur der Finger ist und nicht die ganze Hand.«
    Als Kyle antwortete, klang seine Stimme belegt und unsicher.
    »Bist du sicher? Hat der Maat dir das gesagt? Er verarztet hier auf dem Schiff die Mannschaft.«
    »Dafür braucht man kaum einen Arzt. Seht selbst.«
    Mit einer Gelassenheit, die Wintrow sicher nicht spürte, das wusste Viviace, wickelte er die verkrustete Bandage ab. Sein Vater gab ein leises Stöhnen von sich. »Der Geruch ist wirklich ziemlich schlimm«, gab Wintrow zu. Er klang immer noch gelassen. »Je eher er amputiert wird, desto besser.«
    Sein Vater stand auf, und sein Stuhl kratzte über die Planken. »Ich hole den Maat. Setz dich, Sohn.«
    »Mir wäre es lieber, wenn Ihr es tätet, Sir. Wenn es Euch recht ist. Und zwar auf Deck, bei der Galionsfigur.«
    Sie spürte beinahe, wie Wintrow sich in dem Raum umsah. »Es ist nicht nötig, Euren Salon mit Blut zu verschmieren«, fügte er hinzu, als wäre ihm das jetzt erst eingefallen.
    »Ich kann nicht… Ich habe niemals…«
    »Ich kann Euch zeigen, wo Ihr das Messer ansetzen müsst, Sir. Es ist nicht schwerer, als ein Suppenhuhn auszunehmen. Man muss ihn einfach nur am Gelenk abtrennen. Das hat man mir im Kloster beigebracht.
    Manchmal überrascht es mich immer noch, wieviel das Kochen mit der Medizin gemein hat. Die Kräuter. Das Wissen vom… Fleisch. Die Messer.«
    Viviace begriff, dass es eine Herausforderung war, aber sie verstand es nicht ganz. Vermutlich war es nicht einmal Wintrow vollkommen klar. Sie versuchte daraus schlau zu werden. Falls Kyle sich

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