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Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen

Titel: Zauberschiffe 02 - Viviaces Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Seufzer eines Mannes, der zutiefst missverstanden wurde, zog er seinen Mantel wieder über und ging hinaus in den Sturm.
    Das Vorschiff war genauso dunkel und stickig, wie er es in Erinnerung hatte. Er musste mehrere Männer grob wecken, bis er einen fand, der noch genug bei Verstand war, um ihm ihre Hängematte zu zeigen. Er tastete sich im Schein einer Kerze dorthin und schüttelte sie trotz ihrer Proteste wach. »Komm in meine Kabine, Junge, damit ich dir den Kopf nähe, und hör auf herumzujaulen!«, befahl er ihr. »Ich habe keine Lust, dass du eine Woche lang nutzlos mit Fieber herumliegst. Und jetzt beeil dich. Ich habe nicht die ganze Nacht Zeit.«
    Er versuchte, wütend auszusehen und nicht beunruhigt, als sie ihm aus dem Laderaum und über das Deck in seine Kabine folgte. Selbst in dem schwachen Licht der Kerze sah er, wie blass sie war, und erkannte auch die Blutkruste in ihrem Haar.
    Als sie ihm in die kleine Kammer folgte, bellte er sie an: »Schließ die Tür! Ich habe keine Lust, dass mir der Sturm hier hereinbläst!«
    Sie folgte seinem Befehl mit bleiernem Gehorsam.
    Als sie geschlossen war, sprang er vor, verriegelte sie und packte sie an den Schultern. Er musste sich zusammenreißen, dass er sie nicht schüttelte. Stattdessen drückte er sie fest in die Koje. »Was ist los mit dir?«, zischte er, als er seinen Mantel an den Haken hängte. »Warum hast du mir nicht gesagt, dass du verletzt bist?«
    Sie hatte es gesagt, das wusste er, und er erwartete eigentlich auch, dass sie genau das antworten würde. Stattdessen hob sie nur die Hand an den Kopf und sagte undeutlich: »Ich war einfach so müde…«
    Er verfluchte die Enge seines Quartiers, als er über sie hinweg langte, um den Medizinkasten zu holen. Er öffnete ihn, durchwühlte ihn kurz und warf dann seine Auswahl neben sie in die Koje. Dann senkte er die Laterne ein bisschen. Es war immer noch zu dunkel, um Genaueres zu erkennen. Sie zuckte zusammen, als seine Finger über ihre Kopfhaut glitten.
    Er versuchte, ihr dichtes Haar zu teilen und die Wunde zu finden, aus der das Blut gedrungen sein musste. Seine Finger waren ganz nass davon. Der Riss blutete immer noch leicht.
    Nun, Kopfwunden bluteten immer stark. Da er es wusste, sollte es ihn eigentlich nicht beunruhigen. Aber es machte ihm Angst, ebenso wie der glasige Blick ihrer Augen.
    »Ich muss ein bisschen von deinem Haar wegschneiden«, warnte er sie und erwartete ihren Widerspruch.
    »Wenn es sein muss.«
    Er betrachtete sie genauer. »Wie oft bist du getroffen worden?«
    »Zweimal. Glaube ich.«
    »Erzähl’s mir genauer. Sag mir alles, woran du dich noch erinnerst.«
    Sie redete in zusammenhanglosen Sätzen, während er mit der Schere die Haare um die Wunde herum wegschnitt. Ihre Geschichte warf nicht gerade ein stolzes Licht auf seine Geistesgegenwart. Wenn er alles zusammenzählte, was er von dem Abend wusste, dann wurde klar, dass er und Althea gezielt ausgesucht worden waren, um die Mannschaft der Jolly Gal aufzufüllen. Sie hatten einfach nur unglaubliches Glück gehabt, dass sie jetzt nicht in Ketten in irgendeinem Laderaum saßen.
    Der Riss in ihrer Kopfhaut war so lang wie sein kleiner Finger und klaffte auf, als er an ihrem Zopf zog. Selbst nachdem er das Haar darum herum weggeschnitten hatte und von den verklebten Strähnen gesäubert hatte, blutete die Wunde immer noch. Er tupfte sie mit einem Lappen ab. »Ich muss den Schnitt nähen«, sagte er. Er versuchte, sowohl die Benommenheit von der Droge in dem Bier abzuschütteln wie auch die Beklommenheit, die er bei der Vorstellung empfand, ihre Haut mit einer Nadel zu durchbohren. Glücklicherweise schien Althea noch umwölkter zu sein als er. Was die Presser auch immer in ihr Bier getan hatten, es wirkte gut.
    Unter dem schwankenden, gelblichen Licht der Laterne fädelte er ein dünnes Stück Darm in eine gebogene Nadel. Sie fühlte sich in seinen schwieligen Händen winzig an und rutschte ihm immer wieder weg. Jedenfalls konnte es nicht viel anders sein, als Kleider zu stopfen und ein Segel zu flicken, oder? Darin hatte er schon jahrelange Übung. »Sitz still«, befahl er ihr überflüssigerweise. Vorsichtig setzte er die Nadelspitze auf ihrer Kopfhaut an. Er musste sie flach hineinstechen, damit sie wieder hochkam. Sanft drückte er auf die Nadel. Aber statt ihre Haut zu durchbohren, rutschte die Kopfhaut auf dem Schädel weg. Er bekam die Nadel nicht hindurch.
    Ein bisschen mehr Druck und… Althea schrie auf.

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