Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
zu sehen. Vasen mit Blumen standen in jeder Nische, und der Duft von Parfüm hing in der Luft. Als Althea weggegangen war, war dies ein Haus voller Trauer und Familienstreit gewesen. Jetzt jedoch schienen diese schwierigen Tage vergessen – und sie mit ihnen. Es erschien ihr unfair, dass ihre Mutter und ihre Schwester gefeiert hatten, während sie all diese Entbehrungen durchlitten hatte. Als sie den Raum betraten, war Altheas Verwirrung so groß, dass sie aufpassen musste, damit sich ihr Ärger nicht entlud.
Die junge Frau klopfte an die Tür der Kammer. Als sie Ronicas gemurmelte Aufforderung hörte, trat sie zur Seite und flüsterte Althea zu: »Geh nur hinein.«
Althea verbeugte sich kurz und betrat den Raum. Leise schloss sie die Tür hinter sich. Ihre Mutter saß auf einem mit Kissen bestückten Diwan. Auf einem niedrigen Tisch stand ein Glas Wein. Sie trug ein einfaches Kleid aus cremefarbenem Leinen. Ihr Haar war zu einem Zopf gebunden und parfümiert, und eine silberne Kette betonte ihren schlanken Hals, aber das Gesicht, das sie Althea zuwandte, war gezeichnet von Erschöpfung. Althea zwang sich dazu, dem Blick ihrer Mutter nicht auszuweichen, als der sich vor Erstaunen weitete. »Ich bin nach Hause gekommen«, sagte sie ruhig.
»Althea!«, stieß ihre Mutter hervor. Sie hob eine Hand an ihr Herz, legte dann beide Hände vor den Mund und atmete vernehmlich aus. Sie war so blass geworden, dass die Linien in ihrem Gesicht wie eingeätzt wirkten. Zitternd holte sie Luft. »Weißt du eigentlich, wie viele Nächte ich mich gefragt habe, ob du tot bist? Mich damit gequält habe, wo deine Leiche liegen mochte, ob in einem ordentlichen Grab oder in irgendeiner Grube?«
Die Flut ärgerlicher Worte überrumpelte Althea. »Ich habe versucht, dich zu benachrichtigen.« Sie merkte, wie sie log – wie ein Kind, das man bei einer Ungezogenheit ertappt hatte.
Ihre Mutter hatte die Kraft gefunden aufzustehen und näherte sich jetzt Althea. Ihr Zeigefinger war vorgestreckt wie eine Hellebarde. »Nein, das hast du nicht!«, widersprach sie ihr verbittert. »Du hast nicht einmal daran gedacht, bis jetzt.« Sie blieb plötzlich wie angewurzelt stehen und schüttelte den Kopf. »Du bist deinem Vater so ähnlich, dass ich ihn fast mit deinem Mund lügen höre. Ach, Althea, ach mein kleines Mädchen!« Plötzlich umarmte ihre Mutter sie so fest, wie sie es seit Jahren nicht getan hatte. Althea blieb unbeweglich stehen, vollkommen verwirrt. Einen Augenblick später bemerkte sie jedoch entsetzt, wie der Körper ihrer Mutter vor Schluchzen bebte. Sie blieb an Althea geklammert stehen und weinte an ihrer Schulter.
»Es tut mir Leid«, sagte Althea leise. Und fügte hinzu: »Es wird alles gut.« Einen Moment später fragte sie zögernd: »Was ist los?«
Ihre Mutter ließ sich mit der Antwort eine Weile Zeit. Dann holte sie bebend Luft. Ronica trat von ihrer Tochter zurück und wischte sich wie ein Kind mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen. Dadurch verschmierte sie ihre sorgfältig aufgetragene Wimperntusche und beschmutzte den Ärmel ihres Kleides. Aber sie achtete nicht darauf. Unsicher ging sie zu dem Diwan zurück und setzte sich. Nachdem sie einen ordentlichen Schluck Wein getrunken hatte, lächelte sie gezwungen. Durch die verschmierte Schminke verzerrte sich ihr Gesicht zu einer Grimasse. »Alles«, sagte sie. »Alles, was misslingen konnte, ist misslungen. Bis auf eins: Du bist zu Hause und lebst!« Die aufrichtige Erleichterung auf dem Gesicht ihrer Mutter traf Althea mehr als ihr Zorn.
Es fiel ihr schwer, das Zimmer zu durchqueren und sich auf den Diwan zu setzen. Und noch schwieriger war es, ruhig zu sitzen und vernünftig zu bleiben. »Erzähl es mir.« Seit so vielen Monaten hatte Althea sich darauf gefreut, nach Hause zu kommen, ihre Geschichte zu erzählen und ihre Familie dazu zu zwingen, sich endlich ihrer Sichtweise anzuschließen. Jetzt war sie hier, und sie wusste mit absoluter Gewissheit, als habe Sa selbst es ihr enthüllt, dass sie sich zuerst all das anhören musste, was ihre Mutter ihr zu sagen hatte.
Einen Moment sah Ronica sie nur an. Dann sprudelten die Worte nur so aus ihr hervor. Es war eine zusammenhanglose Geschichte von einem Desaster nach dem anderen. Die Viviace war immer noch nicht zu Hause. Sie hätte schon längst wieder da sein müssen. Kyle hatte sie vielleicht direkt nach Chalced geführt, um die Sklaven dort zu verkaufen, aber er hätte ihnen sicherlich von einem anderen Schiff
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