Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Schuhe waren von der Feuchtigkeit ruiniert. Malta warf sie in eine Ecke ihres Schranks und zog einen warmen Bademantel an. Bei ihrem nächtlichen Spaziergang war ihr trotz der milden Jahreszeit kalt geworden. Sie nahm die Traumdose vom Regal. Das graue Pulver hatte sie in einem größeren Beutel versteckt, in dem sich Kräuter gegen Kopfschmerzen befanden. Sie holte es heraus und klopfte die Krümel des anderen Krauts ab. Sie zitterte vor Aufregung, als sie das Schnürband öffnete. Dann steckte sie es in die Traumdose und schüttelte den Inhalt sorgfältig heraus. Ein bisschen Puder des Traumstaubs hing noch in der Luft. Sie nieste heftig und schloss hastig die Klappe der Dose. Ihr Rachen fühlte sich merkwürdig an, taub und dennoch warm. »Schüttel die Dose gut, dann warte und öffne sie neben dem Bett«, instruierte sie sich selbst. Als sie durchs Zimmer zu ihrem Bett ging, schüttelte sie die Dose. Dann schlug sie die Laken zurück, kletterte ins Bett und stellte die Dose offen neben sich. Sie blies die Kerze aus und legte sich dann auf das Kissen. Sie schloss die Augen und wartete.
Und wartete.
Ihre Vorfreude machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Sie konnte einfach nicht einschlafen. Entschlossen presste sie die Augen zu und versuchte, nur an Dinge zu denken, die müde machten. Als das scheiterte, konzentrierte sie sich auf Reyn. Nach Cerwins enttäuschender Vorstellung fand sie ihn viel attraktiver. Als Cerwin sie in die Arme genommen hatte, wirkte er im Vergleich zu Reyn eher schmächtig. Der Regenwild-Mann war wesentlich breitschultriger, was sie bei ihrer verstohlenen Umarmung festgestellt hatte. Sie dachte darüber nach. Reyn hätte sicher die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen, einen Kuss zu rauben. Bei diesem Gedanken schlug ihr Herz schneller.
Reyn löste einen wahren Sturm von widerstreitenden Gefühlen in ihr aus. Durch seine Geschenke und seine Aufmerksamkeit fühlte sie sich bedeutend. Sein Wohlstand war attraktiv, vor allem für eine, die ein Jahr Armut hatte erdulden müssen. Manchmal kümmerte es sie nicht einmal, dass sein Gesicht verschleiert war und er Handschuhe trug. Das machte ihn geheimnisvoll. Sie konnte ihn ansehen und sich einen gut aussehenden jungen Mann hinter dem Schleier vorstellen. Wenn er sie elegant durch komplizierte Tanzschritte führte, fühlte sie sowohl seine Stärke als auch seine Beweglichkeit. Nur manchmal fragte sie sich, ob der Schleier vielleicht doch ein warziges Gesicht mit missgestalteten Zügen verbarg.
Waren sie jedoch getrennt, dann wurde sie von Zweifeln gepeinigt. Noch schlimmer war das Mitleid ihrer Freundinnen. Sie waren ausnahmslos sicher, dass er ein Monster sein musste. Malta vermutete, dass sie meistens jedoch einfach nur eifersüchtig auf die Geschenke waren, die er ihr mitbrachte, und die Aufmerksamkeit, die er ihr widmete. Vielleicht wollten sie einfach, dass er hässlich war, weil sie sie um ihr Glück beneideten. Ach, sie wusste nicht, was sie fühlte oder empfand. Sie hatte das Puder der Traumdose verschwendet. Nichts hatte richtig geklappt. Sie warf sich auf dem Bett hin und her, Körper und Geist getrieben von Sehnsüchten, die sie kaum verstand. Wenn doch ihr Vater nach Hause gekommen wäre und alles gerichtet hätte.
»Ich will hier raus. Warum hilfst du mir nicht?«
»Das kann ich nicht. Bitte. Versteh doch, dass ich es nicht kann, und hör auf, mich anzuflehen.«
»Du willst es nicht!«, erwiderte der eingesperrte Drache verächtlich. »Du könntest schon, aber du willst nicht. Es bedarf nur des Sonnenlichts. Öffne die Fensterläden, und lass das Sonnenlicht herein. Den Rest besorge ich.«
»Ich habe es dir doch gesagt. Die Kammer, in der du dich befindest, ist unter der Erde begraben. Früher einmal gab es hier sicher große Fenster und Fensterläden, die man öffnen und schließen konnte. Aber das ganze Gebäude liegt jetzt unter der Erde, und Bäume wachsen darauf. Du befindest dich unter einem vollkommen bewaldeten Hügel.«
»Wenn du wirklich der Freund wärst, der du zu sein vorgibst, dann würdest du mich ausgraben und befreien. Bitte, ich muss frei sein. Nicht nur um meinetwillen, sondern auch für das Wohl meiner ganzen Rasse.«
Reyn bewegte sich unruhig in seinem Bett und zerrte an den Laken. Er schlief nicht richtig und träumte auch nicht, aber er war auch nicht wach. Die Drachenvision war jetzt eine beinahe allnächtlich wiederkehrende Qual. Wenn er schlief, blickte der Drache in ihn, auf ihn
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