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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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geschaffen, nicht dafür, in aller Gemütsruhe Fracht hin und her zu schaukeln, wie eine Marktfrau einen Eimer Wasser trägt. Hinterher! Ah, sie sehen Euch! Sie sehen Euch! Schaut nur, wie sie sich bemühen! Aber es wird ihnen nichts nützen!«
    Wintrow grub seine Finger in die Reling neben Kennit. Der scharfe Wind trieb ihm die Tränen in die Augen. Er gab keinen Laut von sich. Er hatte die Kiefer fest zusammengepresst und behielt seine Gefühle für sich. Aber sein heftig hämmerndes Herz verriet ihn. Sein Blut sang bei dieser wilden Verfolgung. Sein ganzer Körper zitterte vor Erwartung auf die Kaperung. Vielleicht konnte er seine Begeisterung vor sich selbst leugnen, aber er konnte sie nicht vor ihr verbergen.
    Kennit und Sorcor hatten ihre Beute nicht willkürlich ausgewählt. Gerüchte über die Brummbär waren Sorcor schon vor Wochen zu Ohren gekommen. Und da sein Kapitän sich schnell erholte, hatte er Kennit die Neuigkeiten mitgeteilt. Kapitän Avery von der Brummbär hatte damit geprahlt, dass kein Pirat, ganz gleich wie wagemutig er auch wäre, ihn vom Sklavenhandel abbringen könnte. Und das hatte er nicht nur in Jamaillia-Stadt, sondern auch in vielen kleineren Häfen verkündet. Es ist eine dumme Prahlerei, sagte Kennit der Viviace. Averys Ruf war allgemein bekannt. Er transportierte immer nur die feinste Ladung, gebildete Sklaven, die als Lehrer, Hausdiener und Verwalter taugten. Er transportierte auch nur das Beste von Jamaillias kultivierten Waren: feine Brandys und Weihrauch, Parfüms und aufwendige Silberarbeiten. Seine Kunden in Chalced erwarteten diese Extravaganz von ihm und zahlten entsprechend gut für seine Güter.
    Auch wenn dieses Schiff eine gute Beute war, hätte Kennit es normalerweise nicht als Ziel ausgewählt. Warum sollte man ein Schiff angreifen, das sehr schnell, gut bewaffnet und mit äußerst disziplinierten Leuten bemannt war, wenn es doch weit einfachere Beute gab? Aber Avery hatte einmal zu oft den Mund aufgerissen. Solche Unverschämtheiten konnten nicht geduldet werden. Kennit hatte ebenfalls einen Ruf zu verlieren. Es war dumm von Avery gewesen, ihn herauszufordern.
    Kennit war mehr als einmal zur Marietta gerudert, um die Kaperung mit Sorcor zu planen. Viviace wusste, dass sie über die besten Stellen für einen derartigen Hinterhalt sprachen, aber viel mehr wusste sie nicht darüber. Auf ihre neugierigen Fragen hatte es stets nur ausweichende Antworten gegeben.
    Als die beiden Schiffe ihre Beute in die Zange nahmen, dachte Viviace über Wintrows Worte vom letzen Abend nach. Er hatte Kennit unverhohlen verdammt. »Er jagt dieses Schiff wegen des Ruhms, nicht aus Rechtschaffenheit«, hatte er anklagend gesagt. »Andere Sklavenschiffe haben viel mehr Sklaven an Bord, die in großem Elend und Entbehrung leben. Avery, so habe ich jedenfalls gehört, kettet seine Fracht nicht an, sondern lässt sie frei auf Deck herumlaufen. Er verteilt großzügig Brot und Wasser, damit seine Handelsware in guter Verfassung ankommt und beste Preise erzielt. Kennit hat sich Averys Schiff nicht wegen seines Hasses auf die Sklaverei ausgesucht, sondern wegen des Reichtums und des Ruhms.«
    Sie hatte lange über seine Worte nachgedacht. »So fühlt er aber nicht, wenn er darüber nachdenkt«, antwortete sie dann. Sie hatte das Thema nicht weiterverfolgt, denn sie war sich selbst nicht ganz sicher, was Kennit eigentlich empfand. Sie wusste, dass er einige Abgründe seiner Seele vor ihr verbarg. Also ging sie es anders an. »Ich glaube nicht, dass die Sklaven auf Deck weniger glücklich über ihre Freiheit sind als die, die man in Elend und Not hält. Hältst du denn Sklaverei für akzeptabler, wenn der Sklave wie ein wertvolles Pferd oder ein Hund gehalten wird?«
    »Natürlich nicht!«, hatte er erwidert, und von da an hatte sie das Gespräch in Bahnen gelenkt, in denen sie sich geschickter bewegen konnte.
    Erst heute hatte sie endlich für diese emotionale Unterströmung in Kennits Worten, wenn er von der Brummbär sprach, einen Namen gefunden. Es war die Lust an der Jagd. Das kleine Schiff, das so schnell vor ihnen floh, war etwas besonders Schönes und wirkte auf Kennit genauso unwiderstehlich wie ein Schmetterling auf eine Katze. Rein aus pragmatischer Sicht hätte er diese herausfordernde Beute niemals ausgewählt. Aber er konnte auch dem Wettstreit nicht widerstehen, sobald er hineingelockt worden war.

    Als sich die Entfernung zwischen der Viviace und dem kleinen Zweimaster Brummbär

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