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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wild auf. »Du sagst, ich hätte ein Ich auch ohne meine Familie? O ja, das stimmt. Ja, ich habe ein Ich, mit Klauen und Zähnen, das so voller Elend und Wut ist, dass ich die Welt in Fetzen reißen würde, wenn dann alles aufhören würde!« Paragon breitete die Arme aus und warf den Kopf zurück. Er stieß einen Schrei aus, unmenschlich laut und unerträglich traurig. Althea hielt sich die Ohren zu.
    Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Amis Ludluck sich umdrehte und weglief. Ihre Mutter eilte hinter ihr her. Althea sah, wie Ronica sie einholte und ihren Arm packte. Sie hielt sie fest und drehte sie herum. Althea wusste, dass sie ihr Vorhaltungen machte, aber sie hatte keine Ahnung, was sie sagte. Davad stand neben ihnen, beschwichtigte sie und trocknete sich das Gesicht mit einem seidenen Taschentuch ab. Althea wusste, was passiert war. Amis Ludluck hatte ihre Meinung geändert. Davon war Althea überzeugt. Sie hatte ihre einzige Chance vertan, die Viviace zu retten. Die Ludlucks würden den Paragon nicht verkaufen, und sie würden ihn auch nicht segeln. Er würde hier am Strand von Bingtown liegen bleiben, älter und mit jedem Jahr ein bisschen verrückter werden. Althea fragte sich, ob sie dasselbe Schicksal erwartete.
    Amber stand gefährlich nah bei Paragon. Eine Hand hatte sie gegen seinen Rumpf gelegt, und sie sprach leise mit ihm. Er achtete jedoch nicht auf sie. Er hatte seinen struppigen Kopf in die Hände gesenkt und weinte. Seine Schultern zuckten wie bei einem untröstlichen Kind. Clef war näher gekommen und starrte das fassungslose Schiff erstaunt an. Er biss sich auf die Unterlippe. Seine Hände waren zu Fäusten geballt.
    »Paragon!«, schrie Amis Ludluck plötzlich.
    Er hob abrupt sein vernarbtes Gesicht und starrte blindlings um sich. »Wer ruft da?«, stieß er hektisch hervor. Er rieb sich die Wangen, als wollte er die Tränen abwischen, die er nicht geweint hatte. Offensichtlich war es ihm unangenehm, dass ein Fremder seine Trauer mit angesehen hatte.
    »Ich bin Amis Ludluck.« Die Frau klang abweisend. Graue Haarsträhnen hatten sich aus ihrer leichten Sommerhaube gelöst, und ihr Schal flatterte im Wind. Mehr sagte sie nicht. Sie wartete auf seine Reaktion.
    Paragon schien sprachlos. Er öffnete zweimal den Mund und schloss ihn wieder, bevor er seine Sprache wiederfand. »Warum seid Ihr hier?« Seine Stimme klang anders, sehr reserviert und viel männlicher als zuvor. Und er wirkte gequält. Dann holte er bebend Luft und riss sich noch mehr zusammen. »Warum seid Ihr nach all den Jahren hierher gekommen, um mit mir zu sprechen?«
    Das schien Amis Ludluck mehr zu erschüttern, als wenn er sie angeschrieen hätte. Althea beobachtete, wie die Frau nach Worten suchte. »Sie haben es dir doch gesagt, oder nicht?«, fragte sie ihn schließlich lahm.
    »Was sollen sie mir gesagt haben?«, fragte er sie erbarmungslos.
    Sie straffte die Schultern. »Dass ich dich verkauft habe.«
    »Ihr könnt mich nicht verkaufen. Ich gehöre zu Eurer Familie. Könntet Ihr Eure Tochter oder Euren Sohn verkaufen?«
    Amis Ludluck schüttelte den Kopf. »Nein«, flüsterte sie. »Nein, das könnte ich nicht. Weil ich sie liebe und sie mich lieben.« Sie starrte das verunstaltete Schiff an. »Aber das gilt nicht für dich.« Ihre Stimme wurde plötzlich schrill. »So lange ich zurückdenken kann, warst du der Fluch meiner Familie. Ich war noch nicht einmal auf der Welt, als du das letzte Mal ausgelaufen bist. Aber ich bin mit dem Schmerz meiner Mutter und meiner Großmutter über ihre Verluste groß geworden. Du bist verschwunden – und mit dir unwiederbringlich auch alle Männer aus unserer Familie. Warum? Wofür wolltest du uns bestrafen, außer dass wir deine Familie waren? Es wäre schon schlimm genug für uns gewesen, wenn du niemals wiedergekehrt wärst. Wenigstens hätten wir uns dann Fragen stellen können. Wir hätten uns vorstellen können, dass ihr alle gemeinsam untergegangen wärt oder dass sie noch irgendwo lebten, am Leben zwar, aber nicht in der Lage, zu uns zurückzukehren. Stattdessen musstest du wiederkommen und uns beweisen, dass du erneut getötet hast. Wieder hattest du die Männer der Familie umgebracht, die dich hat bauen lassen, und hast ihre Frauen in Trauer gestürzt.
    Und jetzt liegst du seit dreißig Jahren hier! Ein ständiger Vorwurf an meine Familie, ein Symbol für unsere Schande und Schuld. Jedes Schiff, das hier vorbeikommt oder in den Hafen einläuft, sieht dich hier liegen. Es gibt

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