Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
eigene Familie sein«, sagte er ernst. »Wenn du allein übrig bist.«
Paragon antwortete nicht.
Die Brummbär war einer der besten Fänge, die sie jemals gemacht hatten. Kennit wurde von einer seltenen Begeisterung erfüllt, als man ihn auf ihr Deck hob. Etta wartete auf ihn und reichte ihm die Krücke. Und dieser Sieg schmeckte doppelt gut. Nicht nur war das sein erster bedeutender Fang, seit er wieder gesund war, sondern Wintrow war auch noch Zeuge des Vorfalls. Er konnte das Staunen des Jungen förmlich spüren, der ihm auf dem Fuß folgte. Nun, sollte er doch Augen machen über diese gewienerte kleine Schaluppe und seine Einschätzung von Kapitän Kennit überdenken. Glaubte der junge Wintrow denn wirklich, dass er ein einbeiniger Halunke wäre, der nur stinkende Sklavenschiffe abfangen konnte? Sollte er sich doch diesen Fang ansehen und Kennit als einen der besten Freibeuter erkennen, der jemals die Innere Passage unsicher gemacht hatte.
Seine Zufriedenheit äußerte sich vor allem als Großmut der Mannschaft und besonders Sorcor gegenüber. Als der Erste Maat mit blutigen Händen zu ihm hastete und ihm Bericht erstattete, erschreckte Kennit ihn mit einem herzhaften Schlag auf die Schulter. »Gut gemacht!«, rief er. »Ein tadelloses Stück Piraterie. Irgendwelche Geiseln?«
Sorcor grinste, begeistert über dieses Lob. »Nur die Schiffsoffiziere, Kapitän. Es ist genauso gelaufen, wie Ihr vorhergesagt habt. Die anderen waren genauso gute Kämpfer wie Seeleute. Keiner von ihnen wollte aufgeben. Ich habe ihnen zweimal die Möglichkeit gegeben, einen Vertrag bei uns zu unterschreiben. Aber das wollten sie nicht. Was sehr schade ist. Es gab eine Menge guter Kämpfer an Bord, aber jetzt sind nur noch die übrig, die mit mir gekommen sind.« Sorcor grinste über seinen Witz.
»Und die Schiffsoffiziere, Sorcor?«
»Sind unter Deck eingesperrt. Ihr Maat hat einige schwere Schläge auf den Kopf gebraucht, bis er zu Boden ging, aber er lebt noch. Und es gibt eine Menge guter Beute außer den Sklaven. Denen geht es gut. Einige sind von der plötzlichen Veränderung etwas mitgenommen, aber sie erholen sich bestimmt noch.«
»Verluste?« Kennit humpelte eifrig weiter.
Sorcors Grinsen erlosch. »Schwerer, als wir erwartet haben, Sir. Das hier waren Kämpfer. Sie sind mit dem Schwert in der Hand gestorben. Wir haben Clifto, Mari und Burry verloren. Kemper hat ein Auge weniger. Ein paar andere haben leichtere Verletzungen davongetragen. Opals Gesicht ist bis zu den Zähnen aufgeschlitzt. Ich habe ihn schon zur Marietta zurückgeschickt. Er hat irgendwas Schreckliches gebrüllt.«
»Opal.« Kennit dachte einen Moment nach. »Lass ihn auf die Viviace bringen. Wintrow kann sich gleich um ihn kümmern. Der Junge hat ein Talent fürs Heilen. Wie ich höre, erwähnst du dich selbst nicht, Sorcor.«
Der große Pirat grinste und deutete geringschätzig auf seinen blutigen linken Arm. »Zwei Schwerter gegen eines, und er hat mich trotzdem erwischt. Ich muss mich schämen.«
»Dennoch muss sich jemand darum kümmern. Wo ist Etta? Etta! Versorge Sorcors Arm, sei so nett. Wintrow, komm bitte mit. Wir wollen kurz einen Blick auf unsere heutige Beute werfen.«
Es war kein kurzer Blick. Kennit führte den Jungen absichtlich durch alle Laderäume. Er zeigte ihm Gobelins und Teppiche, die für die Reise zusammengerollt und in Segeltuch eingepackt worden waren, Kisten mit Kaffeebohnen und Tee, dicke Stränge mit Traumkräutern, die in verschlossenen Tontöpfen lagen, und glänzende Garnspulen in Gold, Rot und Purpur. Das alles, erklärte Kennit, waren die Früchte der Sklaverei. So hübsch es auch aussah, es war mit Blut erkauft. Fand Wintrow es wirklich richtig dass Leute wie Avery und seine Hintermänner diese Dinge behielten? »Solange Sklaverei profitabel ist, werden die Menschen auch damit Geschäfte machen. Gier hat deinen eigenen Vater dazu gebracht mitzuspielen. Es war sein Untergang. Und ich werde dafür sorgen, dass es der Untergang aller ist, die mit Menschen handeln.«
Wintrow nickte langsam. Kennit war nicht sicher, ob der Junge von der Ehrlichkeit des Kapitäns tatsächlich vollkommen überzeugt war. Aber vielleicht spielte das auch keine Rolle. Solange er rechtschaffene Gründe für Piraterie und Kampf anführen konnte, musste der Junge ihm zustimmen. Das machte es einfacher, das Schiff seinem Willen gefügig zu machen. Er legte Wintrow den Arm auf die Schulter und schlug vor: »Rudern wir zurück zur Viviace. Ich
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