Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
knisterte leise. Das würde Kennit gefallen. Er wusste solche sinnlichen Dinge zu schätzen, wenn er sich die Zeit nahm, sich darauf zu konzentrieren.
Allerdings war das in letzter Zeit so selten vorgekommen, dass sie kaum darauf hoffen konnte. Sie blickte in den Spiegel in seiner Kajüte und schüttelte den Kopf. Undankbare Frau, schalt sie sich. Es war noch gar nicht so lange her, dass er ausgestreckt auf seinem Lager gelegen und vor Fieber geglüht hatte. Sie sollte froh sein, dass er überhaupt seinen männlichen Appetit wiedergefunden hatte. Sie hatte gehört, dass einige nie wieder konnten, nachdem sie verstümmelt worden waren. Langsam fuhr sie sich mit einer Bürste durch ihr dickes Haar. Schon bald würde es ihr bis zu den Schultern reichen. Sie dachte an seine Hände in ihrem Haar und an sein Gewicht auf ihr und fühlte, wie ihr heiß wurde. Als sie noch eine Hure gewesen war, hätte sie niemals erwartet, dass ihr das jemals passieren könnte. Sich nach der Berührung eines Mannes zu sehnen, statt nur zu wünschen, dass er endlich fertig wurde. Allerdings hatte sie auch nie erwartet, dass sie jemals auf ein Schiff eifersüchtig sein würde.
Das war verrückt. Sie hob das Kinn, weil sie etwas Parfüm auflegen wollte. Zuerst schnüffelte sie kritisch an dem Flakon. Es war ein neuer Duft, den sie ebenfalls auf der Brummbär erbeutet hatten. Würzig und süßlich. Er würde genügen. Du musst mehr Vertrauen in Kennit haben, dachte sie. Ging ihm nicht schon genug im Kopf herum, auch ohne dass sie eifersüchtig war? Und dann auch noch albernerweise. Es war schließlich ein Schiff, keine Frau.
Sie ging in der Kajüte umher und räumte auf. Er schrieb oder zeichnete immer irgendetwas. Manchmal sah sie ihm zu, wenn er es erlaubte. Seine Fertigkeit faszinierte ihn. Sein Stift bewegte sich so schnell und machte so präzise Zeichen. Sie betrachtete einige Schriftstücke, bevor sie sie zusammenrollte und dann zu seinem Kartentisch brachte. Wie schaffte er es, sich daran zu erinnern, was all diese Zeichen bedeuteten? Vermutlich ist das eine männliche Fähigkeit, dachte sie. Sie hörte, wie Brig draußen Befehle rief. Kurz danach rasselten die Anker herunter. Sie würden also in der Nacht Rast machen. Gut.
Sie verließ die Kajüte und suchte Kennit. Langsam ging sie zum Vordeck. Wintrow saß mit gekreuzten Beinen auf dem Deck neben Opal und hielt Nachtwache. Sie betrachtete den verletzten Schiffsjungen. Die Stiche hielten die Ränder der Wunde zusammen. Mehr konnte man über ihre Arbeit nicht sagen. Sie hockte sich hin und berührte seine Stirn. Dabei raschelte der Rock angenehm um ihre Beine. »Er ist kalt«, bemerkte sie.
Wintrow sah sie an. Er war noch blasser als Opal. »Ich weiß.« Er hüllte seinen Patienten noch fester in die Decke ein. »Er kommt mir so schwach vor. Ich glaube ja, dass der Arzt das Bestmögliche getan hat. Ich wünschte nur, die Nacht wäre wärmer.«
»Warum bringst du ihn nicht nach unten, weg aus der Kälte?«
»Ich glaube, er bekommt mehr Gutes, wenn er hier liegt, als wenn er unter Deck ist.«
Sie neigte den Kopf zur Seite. »Glaubst du, dass dein Schiff heilende Kräfte hat?«
»Nicht, was den Körper angeht. Aber sie kann seinem Geist Kraft verleihen, und das hilft, den Körper zu heilen.«
Sie richtete sich langsam auf, sah ihn dabei aber weiter an. »Ich dachte, das bewirke dein Sa.«
»Das stimmt.«
Jetzt hätte sie ihn verspotten und ihn fragen können, ob er denn noch einen Gott brauchte, wo er doch das Schiff hatte. Stattdessen zuckte sie mit den Schultern. »Geh schlafen. Du siehst erschöpft aus.«
»Das bin ich auch. Aber ich will bei ihm sitzen bleiben. Es kommt mir falsch vor, ihn allein zu lassen.«
»Wo ist der Arzt?«
»Wieder auf der Marietta . Dort sind noch andere Verletzte. Er hat hier alles getan, was er konnte. Der Rest hängt von Opal ab.«
»Und von deinem Schiff.« Sie konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen. Dann blickte sie zum Vordeck. »Hast du Kennit gesehen?«
Wintrow schaute zur Galionsfigur hinüber. Etta brauchte einen Moment, um seine Silhouette auszumachen, denn er stand im Schatten von Viviace. »Oh«, sagte sie leise. Normalerweise störte sie ihn nicht, wenn er sich mit dem Schiff unterhielt. Aber da sie jetzt schon nach ihm gefragt hatte, konnte sie nicht einfach weggehen. Sie trat zu ihm an die Bugreling und bemühte sich, lässig zu wirken. Eine Weile sagte sie nichts. Er hatte eine kleine Bucht einer der kleineren Inseln für
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