Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
manövrieren. Jedes Mal, wenn die hölzernen Griffe der Trage gegen eine Wand stießen und Kennit schüttelten, knurrte Etta. Als die Männer ihn von der Trage auf das Bett legten, öffnete er kurz die Augen. »Bitte, bitte, ich will brav sein, das verspreche ich. Ich werde zuhören, und ich werde gehorchen, ganz bestimmt.« Ettas Miene wurde so düster, dass alle Männer sofort die Augen niederschlugen. Wintrow war sicher, dass man den Kapitän niemals auf diese Worte ansprechen würde. Kaum lag Kennit auf dem Bett, schloss er die Augen und lag so ruhig da wie vorher. Die Männer verließen die Kabine, so schnell sie konnten.
Wintrow blieb noch einen Moment. Etta starrte ihn böse an, als er Kennits Handgelenk und dann seine Kehle berührte. Sein Puls war leicht und unregelmäßig. Wintrow beugte sich dicht zu ihm hinunter und versuchte, ihm mit seinem Atem Zuversicht einzuflößen. Er hielt seine klebrigen Hände über Kennits Gesicht und berührte mit den Fingerspitzen die Schläfen des Piraten, während er laut zu Sa betete, dem Mann Kraft und Gesundheit zu geben. Etta ignorierte ihn. Sie faltete stattdessen ein sauberes Tuch und schob es geschickt unter Kennits bandagierten Stumpen.
»Und jetzt?«, fragte sie düster, als Wintrow fertig war.
»Jetzt warten wir und beten«, erwiderte Wintrow. »Mehr können wir nicht tun.«
Sie stieß einen verächtlichen Laut aus und deutete auf die Tür. Wintrow ging hinaus.
Auf ihrem Deck herrschte eine heillose Unordnung. Das Blut, das in sie einsickerte, hinterließ eine deutlich sichtbare Spur. Viviace hatte die Augen halb geschlossen, weil die Sonne im Westen sie blendete. Sie fühlte, wie Kennit in der Kajüte des Kapitäns lag und atmete, und sie merkte auch, wie das Blut aus ihm heraussickerte. Die Medizin hatte seine Schmerzen gelindert, aber sie nahm sie trotzdem wahr, wie eine ferne pochende Drohung. Jeder Schlag brachte sie einen winzigen Schritt näher. Und obwohl sie seine Qualen noch nicht spüren konnte, kannte sie ihre Ungeheuerlichkeit und fürchtete den Moment, wenn sie ausbrachen.
Wintrow ging über ihr Vordeck und beseitigte die Unordnung. Er weichte ein übrig gebliebenes Stück Bandage in seinem Wassereimer ein, wischte jedes Messer ab, bevor er es wegsteckte, und säuberte ebenso sorgfältig die Nadeln und die Säge. Er verstaute alles im Medizinkasten, räumte ihn methodisch wieder auf. Hände und Unterarme hatte er sich gewaschen und auch das Blut aus seinem Gesicht gewischt, aber seine Robe und sein Hemd waren immer noch blutdurchtränkt. Er wischte die Flasche mit der Kwazi-Fruchtessenz ab und betrachtete den kümmerlichen Rest. »Das ist nicht mehr viel«, meinte er. »Na ja, es spielt keine große Rolle. Ich bezweifle, dass Kennit lange genug lebt, um mehr zu verlangen. Sieh nur, wie viel Blut er verloren hat.« Er legte die Flasche in die Kiste zurück und betrachtete dann das Stück Bein. Wintrow biss die Zähne zusammen und hob es auf. Er hielt es am Knie, zu dessen beiden Seiten zerfetztes Fleisch hing. Es war merkwürdig leicht in seiner Hand, und er trug es zur Seite des Schiffes. »Irgendwie fühlt sich das nicht richtig an«, sagte er laut zu Viviace, aber er warf es trotzdem über die Seite.
Mit einem Schrei wich er zurück, als der Kopf der weißen Seeschlange aus dem Wasser schoss und das Bein noch in der Luft packte. Genauso schnell, wie sie aufgetaucht war, verschwand die Bestie wieder und das Bein mit ihr.
Wintrow trat hastig zurück an die Reling. Er umklammerte sie und starrte in die grünliche Tiefe, suchte nach dem blassen Schimmern der Kreatur. »Woher wusste es das Vieh?«, fragte er heiser. »Es hat gewartet und das Bein erwischt, bevor es ins Wasser fallen konnte. Woher konnte es das wissen?« Bevor Viviace antworten konnte, fuhr er fort: »Ich dachte, die Seeschlange wäre fort. Was will sie noch? Warum folgt sie uns?«
»Sie kann uns hören, uns zwei.« Viviace sprach leise, damit nur Wintrow sie hören konnte. Sie schämte sich. Die Leute strömten wieder aus den Luken ans Tageslicht, aber keiner näherte sich dem Vordeck. Die Seeschlange war so schnell und lautlos aufgetaucht und verschwunden, dass niemand sonst sie gesehen zu haben schien. »Ich weiß nicht, wie sie es macht, und ich glaube auch nicht, dass sie vollkommen begreift, was wir denken, aber was sie versteht, genügt. Und was sie will, ist klar: Genau das, was du ihr gegeben hast. Sie will gefüttert werden, mehr nicht.«
»Vielleicht sollte ich mich
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