Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
ihn in Empfang, stellte ihn auf die Planken und kontrollierte rasch seinen Inhalt. Einiges war zwar gestohlen worden, aber das Meiste war noch da. Mit einem Seufzer der Erleichterung fand er Kwazi-Fruchtrinde in Brandy konserviert. Die Flasche war winzig.
Bitter dachte er daran, dass sein Vater es anscheinend für unnötig gehalten hatte, sie zu benutzen, als man Wintrow den Finger amputiert hatte. Andererseits wurde ihm klar, dass er dann auch nichts mehr für Kennit gehabt hätte. Er zuckte mit den Schultern, als er über die Launen des Schicksals nachdachte, und breitete schön säuberlich das Werkzeug aus. Er schob die Küchenmesser beiseite und ersetzte sie durch die feiner geschliffenen Messer aus dem Kasten. Dann entschied er sich für eine Knochensäge mit einem geschnitzten, bogenförmigen Griff. In drei Nadeln fädelte er Haare von Kennits Kopf ein. Als er sie auf das Segeltuch legte, lockten sie sich. Als Letztes nahm er ein Lederband mit zwei Ringen am Ende heraus, das man um die Gliedmaßen schlingen konnte, bevor man amputierte.
Das war alles. Er betrachtete die Werkzeuge der Reihe nach. Dann sah er Etta an. »Ich würde gern beten. Ein paar Momente der Meditation bereiten uns alle vielleicht besser vor.«
»Bring es einfach hinter dich«, befahl sie barsch. Ihre Lippen waren zusammengepresst, und sie hatte die Wangenmuskeln angespannt.
»Haltet ihn nieder«, antwortete Wintrow. Seine Stimme klang rau. Ob er wohl so blass war wie Etta? Ihre Herablassung ärgerte ihn, und er versuchte, den Ärger in Entschlossenheit umzuwandeln.
Etta kniete sich neben Kennits Kopf, berührte ihn jedoch nicht. Zwei Männer packten sein gutes Bein und drückten es auf den Boden. Jeweils ein Mann hielt seine Arme. Brig versuchte, seinen Kopf zu halten, aber Kennit befreite sich mit einem kurzen Schütteln aus dem zögernden Griff des Piraten. Er hob den Kopf und starrte Wintrow aus glasigen Augen an. »Passiert es jetzt?«, wollte er wissen. Er klang sowohl klagend als auch ärgerlich. »Ist es soweit?«
»Es ist soweit«, antwortete Wintrow. »Wappnet Euch!« Er wandte sich an Brig. »Haltet seinen Kopf fest. Legt Eure Handflächen auf seine Stirn, und drückt ihn mit Eurem ganzen Gewicht auf das Deck. Je weniger er sich bewegt, desto besser.«
Kennit legte freiwillig den Kopf zurück und schloss die Augen. Wintrow hob die Decke hoch, die den Stumpen bedeckte. In den paar Stunden, seit er das Bein das letzte Mal gesehen hatte, hatte sich der Zustand der Wunde verschlimmert. Die Schwellung dehnte die Haut, bis sie fast durchscheinend war, und sie hatte eine blaugraue Färbung angenommen.
Er musste anfangen, solange er noch den Mut besaß. Er versuchte, nicht daran zu denken, dass sein eigenes Leben vom Erfolg der Operation abhing. Als er vorsichtig den Lederriemen unter den Stumpen schob, weigerte er sich, an Kennits Schmerzen zu denken. Er musste sich darauf konzentrieren, schnell zu arbeiten und sauber zu schneiden. Sein Schmerz war unwichtig.
Als Wintrow das letzte Mal bei einer Amputation zugesehen hatte, war das Zimmer warm und gemütlich gewesen. Kerzen und Weihrauch hatten gebrannt, als Sa'Parte sich mit Gebeten und Gesängen auf seine Aufgabe vorbereitet hatte. Das einzige Gebet, das Wintrow herausbrachte, war lautlos. Sa, gewähre mir deine Gnade, betete er. Verleihe mir deine Stärke. Gnade dachte er beim Einatmen. Stärke beim Ausatmen. Es beruhigte sein heftig pochendes Herz. Sein Verstand war plötzlich klarer, seine Wahrnehmung schärfer. Er brauchte einen Moment, bis er begriff, dass Viviace mit ihm war, intimer als jemals zuvor. Schwach konnte er sogar Kennit durch sie fühlen. Wintrow erforschte das schwache Band. Es kam ihm so vor, als würde sie aus großer Entfernung mit Kennit sprechen, ihm Mut und Stärke eingeben und ihm versprechen, dass sie ihm helfen würde. Wintrow war einen Augenblick eifersüchtig und verlor seine Konzentration.
Gnade, Stärke, ermahnte ihn das Schiff. Gnade, Stärke, erwiderte er wortlos. Er zog den Lederriemen durch die Ringe und zog ihn fest um Kennits Schenkel.
Kennit bäumte sich vor Qual auf. Trotz der Männer, die ihn niederhielten, bog er den Rücken vom Deck hoch. Durch den verkrusteten Schorf seines Stumpfs drang Eiter und spritzte auf das Deck. Der faulige Gestank verpestete die Luft. Etta warf sich mit einem Schrei über Kennits Brust und versuchte, ihn niederzuhalten. Einen Moment lang herrschte schreckliches Schweigen, als ihm die Luft
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