Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
er den Satz nachdrücklich.
»Ich wurde bei der Hinreise auf dem Schiff.« Die Frau verstummte einen Moment und rang nach Luft. »Ich wurde eine Weile in der Kapitänskajüte gefangen gehalten.« Er wartete und beugte sich dann zu ihr herunter, um ihre leisen Worte zu verstehen. »In diesem Raum befanden sich Karten. Vom Hafen Bingtowns. Von der Mündung des Regenwildflusses. Warum sollte der Kapitän solche Dinge mit sich führen, wenn er nicht auch beabsichtigte, sie zu benutzen?«
»Der Regenwildfluss beschützt sich selbst«, erklärte Reyn. »Wir haben nichts zu befürchten. Die geheimen Wege des Flusses sind nur uns bekannt.«
»Aber heute Abend sind viele von Euch hier. Repräsentanten vieler Regenwildfamilien, wie man mir sagte. Seid Ihr wirklich sicher, dass niemand diese Geheimnisse enthüllt, wenn man sie bei der Plünderung Bingtowns als Geiseln nehmen würde?«
Ihre Logik war erbarmungslos. Plötzlich ergaben auch kleine Widersprüche einen Sinn. Warum hätten sie sonst dem Kendry die Einfahrt in den Hafen erlauben sollen? »Sie könnten Verbündete unter den Neuen Händlern haben«, meinte er leise, als er an all die Menschen dachte, die ebenfalls an Land gekommen waren. »Menschen, deren Verbindungen zum Sklavenhandel in Chalced stärker sind als ihre Bande zu Jamaillia. Menschen, die unter uns gelebt und genug über uns in Erfahrung gebracht haben, um zu wissen, dass sich heute Bingtown- und Regenwildhändler hier versammeln würden.«
»Wenn ich Ihr wäre, würde ich nicht so eindeutig ausschließen, dass sich unter den Alten Händlern ebenfalls solche Leute befinden«, erwiderte sie leise.
Misstrauen durchfuhr ihn. Davad Restate, natürlich. »Wenn Ihr diesen Plan kanntet, warum seid Ihr dann überhaupt nach Bingtown gekommen?«, wollte er wissen.
»Hätte ich davon gewusst, hätte ich natürlich davon Abstand genommen«, konterte sie. »Ich habe erst heute Abend genug Puzzlestücke zusammenbekommen, um das ganze Bild zusammenzusetzen. Ich sage euch das nicht nur, weil ich selbst nicht sterben will, sondern auch, weil ich Bingtown nicht untergehen sehen möchte. Mein ganzes Leben lang habe ich Bingtown studiert. Ich habe immer hierher kommen wollen: Es ist die Stadt meiner Träume. Also habe ich den Satrapen hintergangen und ihn angefleht, mich mitzunehmen. Und da ich jetzt hier bin, will ich natürlich nicht Bingtowns Todeskampf mit ansehen, genauso wenig, wie ich sterben möchte, ohne zuvor all seine Wunder verstanden zu haben.«
»Was sollen wir Eurer Meinung nach unternehmen?«
»Handelt, bevor sie es tun. Nehmt den Satrapen und seine Gefährtinnen als Geiseln, ja, aber bringt uns in Sicherheit. Lebendig ist er ein Unterpfand. Tot ist er der Funke, der den Krieg entzünden könnte. Es kann nicht der ganze Adel von Jamaillia in diese Verschwörung verwickelt sein. Schickt irgendwie eine Nachricht hinaus, um die zu alarmieren, die der Satrapie noch treu ergeben sind. Schildert ihnen, was hier vor sich geht. Sie werden sich bemühen, Euch zu helfen, wenn Ihr versprecht, Cosgo unverletzt wieder zurückzubringen. Es wird zwar Krieg mit Chalced geben, aber letztendlich herrscht immer Krieg mit Chalced. Nutzt die Zeit, die ich Euch durch diese Warnung verschafft habe, und sichert die Stadt, so gut Ihr könnt. Sammelt Vorräte, versteckt Eure Kinder und Familien. Und benachrichtigt die Menschen am Regenwildfluss.«
Er war skeptisch. »Aber Ihr sagt, dass all dies sehr wahrscheinlich noch heute Abend geschieht. Dann haben wir dafür keine Zeit mehr!«
»Ihr verschwendet jedenfalls Eure Zeit, wenn Ihr weiter mit mir tanzt«, erklärte sie eisig. »Ihr solltet schon längst die anderen Händler informieren. Ich vermute, dass es heute Abend Unruhen in den Straßen geben wird. Feuer, Schlägereien, alles, was dienlich ist, um Aufstände in der Stadt zu entfachen. Der Aufruhr wird sich sehr schnell bis zu den Schiffen am Hafen ausbreiten. Irgendjemand wird, zufällig oder absichtlich, den Chalcedeanern einen Grund zum Angriff liefern. Vielleicht schicken sie auch einfach nur eine Botschaft hinaus, dass der Satrap getötet worden ist.« Sie blickte unbeirrt in seine verschleierten Augen. »Bis morgen früh wird Bingtown brennen.«
Die Musik hörte auf. Als er und seine Partnerin langsamer wurden und schließlich stehen blieben, kam ihm das beinahe prophetisch vor. Er verharrte einen Moment reglos in der Stille, während er ihre Hand noch in seiner hielt. Dann trat er mit einer Verbeugung von ihr
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