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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sich fühlte.
    »Du bist nicht Viviace. Sie hatte niemals ein freundliches Wort für mich übrig. Sie wollte mich nur vertreiben, damit sie Kennit für sich allein hatte.«
    Das Lächeln der roten Lippen vertiefte sich. »Endlich. Ich hätte wissen sollen, dass die erste vernünftige Person, mit der ich spreche, eine meines eigenen Geschlechts ist. Nein. Ich bin nicht Viviace. Und ich will dich weder vertreiben noch dir Kennit wegnehmen. Denk an den Mann, der Kennit ist. Wir müssen nicht um ihn streiten. Er braucht uns beide. Wir werden beide dazu herhalten müssen, seinen Ehrgeiz zu befriedigen.
    Du und ich, wir werden uns näher stehen, als es Schwestern tun. So. Jetzt lass mich einen Namen wählen, mit dem du mich rufen kannst.« Die Drachenkönigin kniff die Augen zusammen und dachte nach. Dann lächelte sie wieder. »Blitz. Blitz ist gut.«
    »Blitz?«
    »Einer meiner frühesten Namen in einer uralten Sprache lautet: ›Empfangen in einem Donnerwetter im Augenblick eines Blitzschlags.‹ Aber ihr seid ein sehr kurzlebiges Volk und versucht, alle Lebenserfahrung abzukürzen, in der Hoffnung, sie dann besser zu verstehen. Deine Zunge würde über so viele Worte stolpern. Also darfst du mich Blitz nennen.«
    »Hast du auch einen richtigen Namen?«, erkundigte sich Etta.
    Blitz warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. »Als ob ich dir den verraten würde! Komm schon, um Kennit fasziniert zu haben, musst du dich doch klüger angestellt haben. Du wirst dir schon etwas Besseres einfallen lassen müssen, als mich einfach mit Unschuldsmiene nach meinen Geheimnissen auszufragen.« Sie wirkte amüsiert. »Rudergänger!«, rief sie dann plötzlich. »Zwei Strich Steuerbord ist die Fahrrinne tiefer und die Strömung stärker. Bring uns dorthin.«
    Jola stand am Ruder. Ohne eine Frage zu stellen, manövrierte er das Schiff in die gewünschte Richtung. Etta runzelte kurz die Stirn. Was würde Kennit dazu sagen? Vor einiger Zeit hatte er den Männern befohlen, dass jeder den Wünschen des Schiffes gehorchen sollte wie seinen eigenen Befehlen. Aber das war vor der Veränderung gewesen. Als das Schiff den Kurswechsel vollzogen hatte, spürte Etta, dass es rascher und geschmeidiger dahinglitt. Sie hob den Kopf, genoss den Wind auf ihren Wangen und suchte mit den Blicken den Horizont ab.
    Kennit sagte, sie segelten nach Divvytown. Aber das würde ihn nicht davon abhalten, unterwegs Beute zu machen. Wintrow erholte sich gut, es war also nicht nötig, sich zu beeilen, damit sie zu einem Heiler kamen. Außerdem konnte ein Heiler sowieso nicht viel für ihn tun. Er würde die Narben bis ans Ende seines Lebens tragen.
    »Du hast die Augen einer Jägerin«, erklärte Blitz anerkennend. Sie musterte den Horizont. »Wir könnten gut zusammen jagen, wir beide.«
    Etta beschlich ein merkwürdiges Gefühl. »Solltest du solche Worte nicht lieber zu Kennit sagen als zu mir?«
    »Einem Männchen?«, fragte Blitz und lächelte eine Spur verächtlich. »Wir wissen doch beide, wie Männchen sind. Ein Drachenerpel jagt, um seinen eigenen Bauch zu füllen. Wenn eine Königin fliegt und Beute schlägt, tut sie es, um die Spezies selbst zu bewahren. Wir sind die, die wissen, dass dies der Sinn einer jeden Bewegung ist, die wir tun. Unsere Art zu erhalten.«
    Etta berührte unwillkürlich ihren flachen Bauch. Selbst durch die Kleidung konnte sie den winzigen Schädel des Amuletts spüren, das sie an ihrem Bauchnabel trug. Es war, wie die Galionsfigur, aus Hexenholz geschnitzt. Sein Zweck war es, sie vor einer Schwangerschaft zu schützen. Sie trug es seit Jahren, seit sie als kleines Mädchen zu einer Hure geworden war. Mittlerweile schien es ein Teil von ihr zu sein. Aber in letzter Zeit hatte der Ring angefangen zu reiben und zu scheuern, sowohl körperlich als auch geistig. Seit sie diese kleine Babyfigur auf dem Strand der Schätze gefunden und aus Versehen mitgenommen hatte, spürte sie den Wunsch ihres Körpers nach einem eigenen Kind.
    »Nimm es ab«, schlug Blitz vor.
    Alles um Etta herum schien zu verstummen. »Woher weißt du das?«, fragte sie mit tödlicher Ruhe in der Stimme.
    Blitz sah sie nicht einmal an, sondern musterte nach wie vor die offene See. »Also bitte! Ich habe eine Nase und kann es an dir riechen. Nimm es ab. Es ehrt weder den, der es einmal war, noch dich, dass du ihn zu einem solchen Zweck erniedrigst.«
    Bei dem Gedanken, dass dieses Amulett einmal ein Drache gewesen sein sollte, bekam Etta eine Gänsehaut. Sie

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