Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
Das Lebensschiff Ophelia liegt ebenfalls im Hafen. Auf ihren Decks wimmelte es von Bewaffneten.
Dann habe ich den Hafen verlassen und bin auf Euren Vorschlag an den Strand gegangen, wo die Fischer auslaufen. Dort war es lebhafter, obwohl nicht annähernd so viele Boote da waren wie gewöhnlich. Etwa fünf oder sechs Kähne lagen an Land, und die Fischer sortierten den Fang und reparierten ihre Netze. Ich habe angeboten, für einen Fisch zu arbeiten, aber sie waren mir gegenüber ziemlich kühl. Nicht grob, aber distanziert, als ob ich Ärger machen würde oder eine Diebin wäre.
Diejenigen, mit denen ich geredet habe, sahen ständig über meine Schulter, als fürchteten sie, ich würde sie nur von jemandem ablenken, jemandem, der ihnen Übles wollte. Als sie jedoch nach einer Weile merkten, dass ich allein war, bekamen sie Mitleid. Sie gaben mir zwei kleine Flundern und plauderten etwas mit mir.«
»Wer hat dir die Flundern gegeben?«
»Eine Fischerin namens Ekke. Ihr Vater hat es ihr befohlen, und als einer der anderen Männer widersprechen wollte, sagte er: ›Die Menschen müssen essen, Ange.‹ Der großzügige Mann hieß Kelter. Ein massiver Mann mit einem roten Bart und roten Haaren auf den Armen, aber wenig Haaren auf dem Kopf.«
»Kelter.« Ronica kramte in ihren Erinnerungen. »Sparse Kelter. Hat jemand ihn Sparse genannt?«
Rache nickte. »Aber ich dachte, es wäre ein Spitzname.«
Ronica runzelte die Stirn. »Sparse Kelter. Ich habe den Namen schon einmal gehört, aber mehr weiß ich nicht über ihn.«
»Soweit ich gesehen habe, ist er unser Mann. Ich habe natürlich nicht über das Thema gesprochen, weil wir besser langsam und vorsichtig vorgehen sollten. Aber wenn Ihr jemanden sucht, der für die Drei-Schiffe-Familien sprechen kann, dann ist er der Richtige.«
»Gut.« Ronicas Stimme verriet ihre Zufriedenheit. »Das Bingtown-Konzil tritt heute Abend zusammen. Ich habe vor, die Informationen zu präsentieren, die ich habe, und darauf zu drängen, dass wir uns mit dem Rest der Stadt zusammentun.
Ich weiß allerdings nicht, ob ich Erfolg haben werde. Es ist sehr entmutigend, dass so wenige überhaupt etwas unternommen haben. Aber ich werde es versuchen.«
Einen Augenblick herrschte Schweigen, und Ronica nippte an ihrem Tee.
»Werdet Ihr aufgeben, wenn sie nicht auf Euch hören?«, wollte Rache wissen.
»Das kann ich nicht«; antwortete Ronica. Dann lachte sie kurz auf. »Wenn ich aufgebe, habe ich nichts mehr zu tun. Rache, das ist die einzige Möglichkeit, wie ich meiner Familie helfen kann. Wenn ich die Hummel sein kann, die Bingtown anstachelt, etwas zu unternehmen, können Keffria und die Kinder vielleicht endlich in eine sichere Stadt zurückkehren. Zumindest kann ich ihnen dann eine Nachricht schicken oder etwas von ihnen hören. So wie die Dinge jetzt stehen, mit den ständig aufflammenden Kämpfen, den Nachbarn, die sich alle gegenseitig misstrauen, und den Anschuldigungen gegen mich, kann meine Familie nicht zurückkehren. Und wenn durch ein Wunder Althea und Brashen die Viviace zurückbringen, dann muss es ein Heim geben, in das sie zurückkehren können. Ich komme mir wie ein Jongleur vor, Rache, dem die Jonglierstäbe auf den Kopf fallen. Ich muss so viele wie möglich auffangen und sie wieder in die Luft werfen. Sollte mir das nicht gelingen, bin ich nichts weiter als eine alte Frau, die bis ans Ende ihrer Tage von der Hand in den Mund leben muss. Was ich jetzt tue, ist meine einzige Hoffnung, mein altes Leben wiederzuerlangen.« Sie stellte die Teetasse ab. »Sieh mich an«, fuhr sie leise fort. »Ich habe nicht einmal mehr eine eigene Teetasse. Meine Familie ist tot oder so weit weg, dass ich nichts von ihr weiß. Alles, was früher selbstverständlich für mich war, wurde mir weggenommen. Mein Leben ist überhaupt nicht mehr das, was ich erwartet habe. Die Menschen sollten nicht so leben müssen…«
Ronica verstummte, als sie Raches Blick bemerkte. Plötzlich begriff sie, zu wem sie sprach. Die nächsten Worte kamen ihr über die Lippen, ohne dass sie darüber nachdachte. »Dein Ehemann wurde vor dir verkauft und nach Chalced geschafft.
Hast du jemals daran gedacht, ihn aufzuspüren?«
Rache nahm ihre Tasse in beide Hände und starrte hinein. Ihre Wimpern schienen nass, aber sie weinte nicht. Einen Augenblick betrachtete Ronica die gerade, blasse Linie in ihrem dunklen Haar.
»Es tut mir Leid…«, begann sie.
»Nein.« Rache klang entschieden. »Nein, ich werde ihn
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