Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
lächelte. »Was soll ich tun?«, fragte sie und hasste sich im selben Moment dafür. Mit dieser Frage gab sie sich vollkommen in seine Hand.
»Nichts«, antwortete er. »Im Augenblick nichts.«
Ronica öffnete die Tür zu Davads Schlafzimmer. Ihre Pantoffel waren immer noch feucht. Die schwere Tür der Bibliothek hatte das Gespräch zwischen der Gefährtin und Roed Caern zu gut abgeschirmt, und ihr kurzer Gang durch den Garten war ebenfalls fruchtlos gewesen. Die Fenster des Arbeitszimmers waren fest verschlossen. Ronica sah sich in Davads Restates Schlafraum um und seufzte. Sie sehnte sich nach ihrem eigenen Heim. Sie war vielleicht hier sicherer und auch näher an der Arbeit, die sie erledigen musste, aber sie vermisste ihr eigenes Heim, ganz gleich wie heruntergekommen es sein mochte. Hier kam sie sich immer noch wie ein Eindringling vor. Als sie eintrat, sah sie Rache, die den Boden schrubbte. Anscheinend versuchte sie, alle Spuren von Davad aus diesem Raum zu entfernen. Leise schloss Ronica die Tür hinter sich.
»Ich weiß, wie sehr du es hassen musst, hier in Davads Heim zu sein, zwischen seinen Dingen. Du musst nicht hier bleiben, das weißt du«, sagte sie freundlich. »Ich komme hervorragend allein zurecht. Du schuldest mir nichts. Du könntest jetzt deinen eigenen Weg gehen, Rache, ohne fürchten zu müssen, als entlaufene Sklavin aufgegriffen zu werden. Natürlich sehe ich es auch sehr gern, wenn du weiterhin mit mir hier wohnen magst. Ansonsten kann ich dir auch ein Empfehlungsschreiben geben. Du könntest zum Ingelhof gehen und dort leben. Ich bin sicher, dass mein altes Kindermädchen dich aufnehmen würde.
Vermutlich freut sie sich sogar über deine Gegenwart.«
Rache ließ den Lappen in den Eimer fallen und stand mühsam auf. »Ich werde nicht die einzige Person in ganz Bingtown im Stich lassen, die freundlich zu mir gewesen ist«, erklärte sie Ronica. »Ihr kommt sicher allein zurecht, aber Ihr braucht mich trotzdem. Die Erinnerung an Davad Restate bedeutet mir nichts. Was kümmert es mich, ob er ein Verräter war, wenn ich doch weiß, dass er ein Mörder gewesen ist? Aber ich werde nicht zulassen, dass Ihr verleumdet werdet, nur weil Ihr ihn kanntet. Außerdem habe ich Neuigkeiten für Euch.«
»Danke«, erwiderte Ronica förmlich. Davad Restate war ein langjähriger Freund der Familie gewesen, aber sie hatte vor seinen ruchlosen Seiten nie die Augen verschlossen. Aber wie viel Schuld konnte man Davad an dem Tod von Raches Kind geben? Sicher, Davad hatte sie gekauft, und er war Teilhaber an dem Sklavenschiff gewesen. Aber er war nicht dabei gewesen, als der Junge im Bauch des Schiffes durch Hitze, schlechtes Wasser und zu wenig Nahrung gestorben war. Dennoch war er derjenige, der von dem Sklavenhandel profitierte, und folglich trug er wohl auch die Verantwortung. Ihr Inneres rebellierte dagegen. Was war dann mit der Viviace und den Sklaven, die ihre Fracht gewesen waren? Sie könnte alles auf ihren Schwiegersohn schieben. Keffria war für das Schiff verantwortlich, und sie hatte ihrem Ehemann Kyle freie Hand gegeben. Aber wie entschieden hatte Ronica sich dagegen gewehrt?
Sie hatte sich zwar dagegen ausgesprochen, aber wenn sie hartnäckiger gewesen wäre…
»Wollt Ihr meine Neuigkeiten hören?«
Mit einem Ruck wurde Ronica aus ihren Gedanken gerissen.
»Sicher.« Sie trat an den Kamin und sah nach dem Kessel.
»Soll ich uns einen Tee machen?«
»Er ist fast alle«, erklärte Rache.
Ronica zuckte mit den Schultern. »Wenn er alle ist, ist es eben so. Es ist sinnlos, ihn verschimmeln zu lassen, aus Angst, keinen mehr zu haben.« Sie nahm die kleine Teedose und schüttete etwas Tee in den Topf. Sie aßen zwar an Serillas Tafel, aber hier in ihrem Zimmer genoss Ronica die kleine Unabhängigkeit ihres eigenen Teetopfs. Rache hatte kurzerhand Teetassen, Teller und andere kleine Annehmlichkeiten aus Davads Küche »sichergestellt«. Sie deckte den kleinen Tisch, während sie redete.
»Ich war heute Morgen in der Stadt. Ich bin über die Pier gegangen, natürlich ganz unauffällig, aber da ist wenig los. Die kleinen Schiffe, die hereinkommen, werden rasch be-und entladen, während überall Bewaffnete herumstehen. Eines gehörte wohl einem Neuen Händler, nehme ich an, vermutlich eine gemeinsame Aktion mehrerer Familien. Die Fracht bestand hauptsächlich aus Nahrungsmitteln. Zwei andere schienen Alten Händlern zu gehören, aber ich habe mich nicht nah genug herangetraut, um sicherzugehen.
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