Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
Verwandte und an dieselbe Charta gebunden waren. Zum ersten Mal seit den Aufständen fühlte Ronica wieder den Geist dieser Einheit. Die Gesichter, die sie grüßte, wirkten müder, älter und besorgter als beim letzten Mal. Einige trugen ihre Händlerroben in den Familienfarben, aber ebenso viele waren in ganz gewöhnliche Kleidung gehüllt. Offenbar war sie nicht die Einzige, die Besitz an die Plünderer verloren hatte. Und da sie jetzt hier waren, machten sie sich mit derselben hartnäckigen Beharrlichkeit an die Reinigung der Halle, die schon immer das Kennzeichen des Händlerstandes gewesen war. Ganz gleich, was geschehen war, diese Leute hatten sich durchgesetzt, und das würden sie wieder tun. Daraus schöpfte Ronica Hoffnung, aber gleichzeitig bemerkte sie, wie wenige sie ansprachen.
Einige murmelten zwar Begrüßungen, und die Leute, die dieselbe Arbeit taten, plauderten miteinander, aber niemand versuchte ernsthaft mit ihr zu reden. Noch niederschmetternder war, dass sich keiner nach Malta oder Keffria erkundigte.
Schließlich war die Halle so sauber, wie man es in der Kürze der Zeit hatte schaffen können. Die Vorsitzenden des Konzils nahmen allmählich ihre Plätze auf dem Podest ein, während die Familien die Stühle und Bänke füllten. Ronica setzte sich in die dritte Reihe. Sie behielt die Fassung, obwohl es sie schmerzte, dass die Plätze rechts und links neben ihr frei blieben. Als sie sich umsah, bemerkte sie zu ihrem Erschrecken, dass noch viel mehr Plätze unbesetzt waren. Wo waren sie alle? Tod, geflohen oder zu verängstigt, um sich herauszutrauen? Ihr Blick glitt über die Köpfe der weißgekleideten Konzilmitglieder, und sie musste zu ihrem Missfallen feststellen, dass ein zusätzlicher Stuhl auf dem Podest bereitgestellt worden war. Schlimmer noch, statt die Händler zur Ordnung zu rufen, wartete der Vorstand darauf, dass dieser Stuhl besetzt wurde.
Das Schweigen veranlasste Ronica, den Kopf zu wenden. Gefährtin Serilla kam herein. Händler Drur begleitete die Gefährtin, als sie die Halle betrat, aber ihre Hand lag nicht auf seinem Arm, und sie ging einen halben Schritt voraus. Ihr taubenblaues Kleid war verschwenderisch mit Perlen bestickt. Dazu trug sie einen roten Mantel mit weißem Pelz, der über den schmutzigen Boden schleifte. Ihr Haar war hochgesteckt und mit perlenbesetzten Nadeln gesichert. Um ihren Hals lag eine Perlenkette, und auch an ihren Ohrläppchen glänzten Schmuckstücke.
Es missfiel Ronica, dass Reichtum so offenkundig zur Schau getragen wurde. Wusste die Gefährtin denn nicht, dass manche Menschen in dem Raum beinahe alles verloren hatten, was sie besaßen? Warum breitete sie ihren Reichtum so provokativ vor ihnen aus ?
Serilla rauschte das Blut in den Ohren, als sie vorsichtig den Gang entlangging, der zu dem Podest in der Mitte der beschädigten Halle führte. Es stank hier furchtbar, nach Regen und nach Schimmel. Außerdem war es kalt. Sie war froh, dass sie den Mantel trug, den sie aus Kekkis Garderobe ausgewählt hatte. Sie hielt das Kinn hoch erhoben und lächelte, während sie eintrat. Schließlich repräsentierte sie die wahre Regierung von Bingtown. Sie würde die Satrapie von Jamaillia würdevoller und vornehmer vertreten, als Cosgo das jemals getan hatte.
Ihre Ruhe würde sie ermutigen, selbst wenn ihre prächtigen Gewänder sie an ihre herausragende Stellung erinnerten.
Sie hielt Händler Drur mit einer winzigen Handbewegung am Fuß der Treppe zurück und stieg allein auf das erhöhte Podest hinauf. Dort ging sie zu dem Stuhl, den sie für sie freigelassen hatten. Es ärgerte sie ein wenig, dass er nicht erhöht war, aber das musste genügen. Sie blieb schweigend stehen, bis die Männer auf dem Podest ihr Missfallen bemerkten. Sie wartete, bis alle aufgestanden waren, bevor sie Platz nahm. Mit einem Nicken erlaubte sie ihnen dann, sich ebenfalls zu setzen. Obwohl die versammelten Händler in der Halle bei ihrem Eintreten nicht aufgestanden waren, nickte sie ihnen grüßend zu, um ihnen zu signalisieren, dass sie sich entspannen könnten.
»Ihr mögt beginnen«, sagte sie zu Händler Dwicker, dem Vorsitzenden des Konzils.
Sie ließ das kurze Gebet zu Sa über sich ergehen, in dem der Händler den Gott um Weisheit anflehte, um mit diesen unsicheren Zeiten fertig zu werden. Schweigen folgte dem Gebet.
Serilla ließ es andauern. Sie wollte sichergehen, dass alle ihr zuhörten, wenn sie sie ansprach. Doch zu ihrer Verblüffung räusperte sich
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