Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
Schiff habe. Ich kannte ihre Gedanken und sie die meinen.« Er holte tief Luft und beugte sich über den Tisch.
Sein Blick flehte den Piraten an, ihm zu glauben.
»Kennit, die Seeschlangen sind Laich der Drachen. Aus irgendeinem Grund sind sie in ihrer Schlangenform gefangen und können nicht in ihre angestammten Gewässer zurückkehren, um sich in ausgewachsene Drachen zu verwandeln. Ich konnte nicht alles erkennen. Ich sah Bilder, die ihre Gedanken mir eingaben, aber es fällt mir schwer, das in menschliche Begriffe zu übersetzen. Als ich wieder an Bord der Viviace kam, wusste ich, dass auch dieses Lebensschiff eigentlich ein Drachen hatte werden sollen. Ich weiß nicht genau wie. Es gibt ein Stadium zwischen Seeschlange und Drache, eine Zeit, in der die Schlange von einer Art harter Haut eingehüllt wird. Ich glaube, das ist dieses Hexenholz: die Hülle von Drachen, bevor sie zu Drachen werden. Irgendwie haben die Regenwildhändler sie stattdessen in Schiffe verwandelt. Sie haben die Drachen getötet, ihre Kokons zu Planken verarbeitet und Lebensschiffe daraus gebaut.«
Kennit griff nach der Branntweinflasche. Er umklammerte ihren Hals, als wollte er sie erwürgen. »Du redest Unsinn! Was du sagst, kann nicht wahr sein!« Er hob die Flasche, und einen Moment glaubte Etta, dass er dem Jungen damit das Hirn aus dem Schädel schlagen würde. Wintrows Miene nach zu urteilen befürchtete er dasselbe. Aber er zuckte nicht zurück.
Schweigend saß er da und wartete auf den Schlag, fast als würde er seinen Tod begrüßen. Doch Kennit schenkte nur Branntwein in sein Glas. Ein bisschen davon schwappte auf das weiße Tischtuch. Der Pirat ignorierte es, hob das Glas und trank es in einem Zug leer.
Er ist zu wütend, dachte Etta. Da ist noch etwas, etwas, das tiefer sitzt und schmerzhafter ist als der Verlust von Viviace.
Wintrow holte rasselnd Luft. »Ich kann Euch nur sagen, was ich glaube, Herr. Wäre das nicht wahr, hätte Viviace nicht so fest daran geglaubt, dass sie sterben müsste. Etwas in ihr wusste es schon immer. Ein Drache hat seit jeher in ihr geschlummert. Unser Zusammentreffen mit der Seeschlange hat ihn geweckt. Diese Drachenkönigin war wütend, als sie entdeckte, was aus ihr geworden ist. Als ich bewusstlos war, hat sie von mir verlangt, dass ich ihr helfe, das Leben des Schiffes zu leben. Ich…« Der Junge zögerte und beschloss, einige Informationen auszulassen. »Die Drachenkönigin hat mich heute Morgen geweckt. Sie zwang mich, Kontakt zwischen ihr und Viviace herzustellen. Ich hatte mich von ihr zurückgezogen, weil ich nicht wollte, dass sie merkte, was ich wusste, nämlich dass sie niemals wirklich lebendig gewesen ist. Sie ist nur die Hülle eines vergessenen Drachen, die meine Familie irgendwie zu ihrem eigenen Nutzen missbraucht hat.«
Kennit sog scharf die Luft durch die Nase. Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und unterbrach den Jungen mit einer gebieterischen Handbewegung »Und das soll das Geheimnis der Lebensschiffe sein?«, meinte er spöttisch. »Das kann nicht sein.
Jeder, der einmal auf einem Lebensschiff gesegelt ist, würde diesen Unsinn zurückweisen. Ein Drache in ihr? Ein Schiff aus Drachenhaut? Du bist verrückt, Junge! Deine Krankheit hat dir das Hirn ausgebrannt.«
Aber Etta glaubte ihm. Das Schiff hatte ihr Unbehagen bereitet, seit sie an Bord gekommen war. Jetzt ergab das alles einen Sinn. Es stimmte. Es hatte immer ein Drache in Viviace gelauert.
Außerdem wusste auch Kennit es. Etta hatte schon erlebt, wie der Mann log, und er hatte auch sie schon angelogen. Aber noch nie hatte sie erlebt, wie er sich selbst belogen hatte. Das beherrschte er nicht gut. Man merkte es an dem leichten Zittern seiner Hand, als er sich einen weiteren Branntwein einschenkte.
Als er sein Glas wieder abstellte, verkündete er abrupt: »Für das, was ich vorhabe, brauche ich ein Lebensschiff. Ich muss sie wieder zum Leben erwecken.«
»Ich glaube nicht, dass Ihr das könnt«, sagte Wintrow leise.
Kennit fuhr ihn an. »So schnell verlierst du also den Glauben an mich! Erst vor ein paar Tagen glaubtest du, ich wäre ein Auserkorener von Sa. Vor ein paar Wochen noch hast du vor allen Leuten für mich gesprochen, sagtest, ich wäre dazu bestimmt, ihr König zu sein, wenn sie sich meiner würdig erwiesen. Ha! Was für ein schwacher, brüchiger Glaube, der beim ersten Widerstand nachgibt. Hör mir zu, Wintrow Vestrit. Ich bin über den Strand von Anderland gegangen, und die Weissagung der
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