Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Missgestalten hat meine Bestimmung bestätigt. Ich habe einen Sturm mit einem Wort besänftigt, und eine Seeschlange hat sich meinem Willen unterworfen. Noch vor einem Tag habe ich dich von der Schwelle des Todes zurückgeholt, du undankbarer Bursche! Und jetzt sitzt du hier und verhöhnst mich. Du behauptest, ich könnte mein Schiff nicht zum Leben erwecken! Wie kannst du es wagen? Will derjenige, den ich wie einen Sohn behandelt habe, jetzt seinen giftigen Stachel gegen mich erheben?«
    Etta blieb, wo sie war, außerhalb des Lichtkreises der Lampe auf dem Tisch, und beobachtete die beiden Männer. Verschiedene Emotionen zeichneten sich auf Wintrows Gesicht ab. Es flößte ihr Ehrfurcht ein, dass sie sie so einfach lesen konnte.
    Wann hatte sie ihre Abwehr so weit gelockert, dass sie sich so gut kennen gelernt hatten? Schlimmer noch, sie litt mit ihm. Er war genau wie sie gefangen zwischen der Liebe zu dem Mann, dem sie so lange gefolgt waren, und Furcht vor dem mächtigen Wesen, zu dem er sich entwickelte. Sie hielt die Luft an und hoffte, dass Wintrow die richtigen Worte fand. Ärgere ihn nicht, flehte sie lautlos. Wenn du ihn erst verärgert hast, dann hört er dir nicht mehr zu.
    Wintrow holte tief Luft. Ihm standen Tränen in den Augen.
    »In Wahrheit habt Ihr mich besser behandelt, als mein Vater es jemals getan hat. Als Ihr auf die Viviace kamt, habe ich den Tod durch Eure Hand erwartet. Stattdessen habt Ihr mich jeden Tag herausgefordert, damit ich mein Leben suchte und es lebte.
    Kennit, Ihr seid für mich mehr als der Kapitän. Ich glaube vollkommen bedingungslos, dass Ihr Sas Werkzeug seid und seinem Willen dient. Ich glaube, er hat für Euch ein Schicksal ausersehen, dass Euch von den meisten anderen unterscheidet.
    Trotzdem, wenn Ihr davon redet, Viviace wieder ins Leben zurückzuholen… Ich zweifle nicht an Euch, mein Kapitän.
    Aber ich bezweifle, dass sie jemals wirklich lebendig gewesen ist, in dem Sinn, in dem wir das sind. Viviace war eine Erfindung, ein Geschöpf, das aus den Erinnerungen meiner Vorfahren geschaffen wurde. Der Drache war einmal real. Aber wenn Viviace niemals real gewesen ist und der Drache bei ihrer Schöpfung starb, wen wollt Ihr dann noch zurück ins Leben holen?«
    Ein unsicherer Ausdruck zuckte über Kennits Miene, so schnell wie das Züngeln einer Schlange. Hatte Wintrow es ebenfalls gesehen?
    Der junge Mann schwieg. Seine Frage stand zwischen ihnen.
    Ungläubig beobachtete Etta, wie er seine Hand langsam hob und über den Tisch schob, als wollte er Kennits Hand berühren… mitfühlend vielleicht? Oh, Wintrow, dachte Etta, begehe keinen so schrecklichen Irrtum.
    Falls Kennit die Hand sah, ließ er es sich nicht anmerken.
    Wintrows Worte jedenfalls schienen ihn überhaupt nicht zu berühren. Er betrachtete den Jungen, und Etta merkte, dass er eine Entscheidung traf. Langsam hob er die Flasche und goss sich noch einen Schluck Branntwein in das Glas. Dann griff er über den Tisch und nahm Wintrows leeren Becher. Er füllte ihn und schob ihn dem Jungen zu. »Trink«, forderte er ihn barsch auf. »Vielleicht bekommst du ja so etwas Feuer in dein Blut.
    Und sage nicht, ich könnte es nicht tun. Verrate mir lieber, wie du mir dabei helfen willst.« Er hob sein Glas und stürzte den Inhalt hinunter. »Denn sie hat gelebt, Wintrow. Wir alle wissen das. Was auch immer sie belebt hat, werden wir wieder zurückholen.«
    Wintrow nahm langsam das Glas, hob es an und setzte es dann wieder ab. »Und wenn es nicht mehr existiert, Herr?
    Wenn es einfach weg ist?«
    Kennit lachte. Etta lief ein kalter Schauer über den Rücken.
    So lachte ein Mensch, wenn er gefoltert wurde und seine Schreie seinen Schmerz nicht mehr ausdrücken konnten. »Du zweifelst an mir, Wintrow. Weil du nicht weißt, was ich weiß.
    Das ist nicht das erste Lebensschiff, das ich kennen gelernt habe. Die sterben nicht so schnell. Das verspreche ich dir. Jetzt trink deinen Branntwein, sei ein guter Junge. Etta! Wo bist du?
    Was ist in dich gefahren, dass du eine leere Flasche auf den Tisch stellst? Hol eine neue, schnell!«
    Der Junge vertrug keinen Schnaps. Kennit hatte ihn leicht unter den Tisch getrunken, und es würde die Hure ablenken, wenn sie sich um ihn kümmern konnte. »Bring ihn in seine Kabine«, befahl er Etta und beobachtete geduldig, wie sie ihn hochzog.
    Er taumelte hilflos neben ihr her. Kennit sah ihnen nach. Nachdem er sicher sein konnte, dass er jetzt eine Weile allein war, klemmte er sich die

Weitere Kostenlose Bücher