Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche

Titel: Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
verbunden, aber das Band war schwach und verblasste zusehends. Aber Viviace bemühte sich nicht nur, Altheas Körper zu heilen, sondern auch ihr Herz.
    Ach, meine Liebste, meine Liebste. Ich hatte nie gedacht, dass er dir so etwas antun würde. Ich habe ihn falsch eingeschätzt. Ich habe dich falsch eingeschätzt. Ich habe sogar mich falsch eingeschätzt. Der Gedanke verblasste.
    Althea blinzelte. Sie fühlte sich furchtbar. Galle brannte in ihrer Speiseröhre und in ihrem Mund. Und etwas in ihrem tiefsten Inneren schmerzte. Sie nieste erneut, und ihr Körper nahm seine Arbeit wieder auf. Sie holte langsam Luft und presste ihre Handfläche gegen das Deck. Es war so wundervoll, wieder Schmerzen zu fühlen, überhaupt etwas zu empfinden.
    »Also, Viviace«, krächzte sie. »Wollen wir leben?«
    Doch Althea bekam keine Antwort, und unter ihren Handflächen fühlte sie nur lebloses Holz.

10. Die Schlüssellochinsel

    Getreu seinem Versprechen war Paragon mit der Flut losgesegelt, wenn auch nicht gerade elegant und würdevoll.
    Doch als das steigende Wasser ihn vom Sand hob, zogen die gespleissten Taue seine geflickten Segel über seine Takelage aus frisch geschnittenem Holz. Die Hälfte seiner reduzierten Mannschaft hatte schwere oder leichte Verletzungen davongetragen, und die meisten waren mutlos. Aber sie segelten.
    Paragon navigierte. Amber hatte ihm noch kein neues Gesicht geschnitzt, geschweige denn Augen. Immerhin hatte sie hastig ihre Vorhaben skizziert, Marken gesetzt und Maße genommen.
    Auf Drängen des Schiffes hatte sie ihre Arbeit jedoch zurückgestellt, bis wesentlichere Aufgaben beendet waren. Das Schiff segelte ohne Augen, wenn auch nicht blind, denn er sah jetzt durch Amber.
    Die lehnte mit wehenden Haaren an der Reling und beschrieb ihm alles, was sie erblickte. Durch ihre nackten Hände vermittelte sie ihm die Gefühle, welche die Inseln in ihr auslösten, an denen sie vorüberglitten. Es war ihre Wahrnehmung des Ozeans und der verstreuten Inseln, die sie ihm mitteilte. Und er ließ sie empfinden, was er wahrnahm.
    Die weiße Seeschlange begleitete sie die ganze Zeit und bedrängte das Schiff auf ihre eigene, verrückte Art und Weise.
    Paragon vermutete, dass die Schlange die beiden Drachen in ihm erwecken wollte. Dabei waren sie bereits wach und wurden mit jedem Tag stärker. Ihre Gedanken vermischten sich mit den seinen. Die Drachen erreichten durch ihn auch Amber und veränderten ihn dabei. Sie wurden zu ihm, und er wurde sie.
    »Wir fliegen«, murmelte Amber. Ein stechender Regen prasselte auf ihr Gesicht herab und durchnässte ihre Haarbüschel. Mit aufgerissenen Augen starrte sie nach vorn und träumte mit ihm von den Inseln, wie sie gewesen waren, als er sie das erste Mal gesehen hatte.
    »Ich bin schon darüber hinweggeflogen. Doch damals waren es keine Inseln, sondern Berggipfel. Wir nannten das erste Massiv den Großen Inneren Wall. Dahinter lagen die Flachlande, und dann kamen die Seeberge, ein ruheloser Ort. Einige der Berge rauchten und spien flüssige Steine aus. Sie verwandelten den Sommer in den Winter und verfinsterten die Tage. Jetzt liegen sie unter Wasser. Die Spitzen der Seeberge sind das, was ihr die Schildwallinsel und die Altweiberinsel und dergleichen nennt. Diese Inseln sind die versunkenen Höhenzüge des Großen Inneren Walls.«
    »Wenn du von ihnen sprichst, sehe ich sie vor meinem inneren Auge.«
    »Hm. Doch jetzt müssen wir sie so sehen, wie Igrot sie gesehen hat und wie Lucto Ludluck sie sah. Er war Sedge Ludlucks Sohn. Auf den Pirateninseln nannten ihn alle Lucky Ludluck. Kennit war Luckys Sohn. Er hat sich dieses Namens bemächtigt.« Paragon schwieg einen Moment und erinnerte sich an diese Jahre. »Glück. Das war immer so wichtig für ihn.«
    Amber erwiderte vorsichtig: »Als Althea mir deine Geschichte erzählt hat, meinte sie, du hättest Bingtown mit Sedge Ludluck verlassen.«
    »Lucto war Sedges ältester Sohn. Er ist mit seinem Vater gesegelt, aber es herrschte eine ständige Anspannung zwischen den beiden. Sedge hatte die Vorstellungskraft eines Steins. Billig einkaufen und teuer verkaufen. Das war die einzige Ethik in seinem Leben, die Ethik der Ludlucks. Er zahlte seinen Leuten so wenig wie möglich und musste häufig die Mannschaft wechseln, weil er so grausam zu den Männern war.
    Das Leben seiner Matrosen war ihm immer weniger wert als die Ladung. Und er nahm sich nie die Zeit zu überlegen, ob das Leben nicht vielleicht auch anders sein könnte. Mich

Weitere Kostenlose Bücher