Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
gesehen hatte. Dieser Abschnitt der Piratengewässer war mit kleinen Inseln nur so gespickt. Sie ragten jäh aus dem Wasser auf, und die hier sah genauso aus. Brashen hätte beinahe zynisch aufgelacht, aber er befahl seiner Mannschaft trotzdem beizudrehen, und als sie die nassen Segel wendeten, wirbelte er das Ruder herum, um das Schiff auf den neuen Kurs zu bringen. Der steife Wind, der sie vorher vorangetrieben hatte, zwang sie jetzt, ständig gegen ihn zu kreuzen, um den Paragon dorthin zu bringen, wohin Amber gedeutet hatte.
Die dezimierte Mannschaft war am Ende ihrer Kräfte. Als die Frachträume geflutet worden waren, war auch der größte Teil der Lebensmittel vernichtet worden. Dazu kamen schmerzhafte Verletzungen, reduzierte, monotone Rationen und die Anstrengung, das Schiff mit zu wenig Leuten zu führen. Das allein hätte schon genügt, um die Männer zu demoralisieren.
Dazu kam jedoch das Wissen, dass Brashen vorhatte, Kennit zum Kampf zu stellen. Infolgedessen hatten sie es nicht gerade eilig, in ihr eigenes Verderben zu rennen. Sie arbeiteten nur widerwillig und nachlässig. Wäre das Schiff nicht so bereitwillig gesegelt, wäre die Aufgabe vollkommen hoffnungslos gewesen.
Clef lief zu seinem Kapitän. Er kniff gegen den peitschenden Regen die blauen Augen zusammen. Der Junge schien sich von seinen Verletzungen fast vollständig erholt zu haben.
Allerdings schonte er noch seinen verätzten Arm. »Sir! Amber sagt, das Schiff meint, wir sollten nach einer Öffnung auf der Leeseite der Insel suchen. Sie führt zu einer Bucht im Inneren der Insel und einer Insel in der Bucht. Die Insel soll einen guten Ankerplatz auf der Luvseite haben. Paragon meint, wir sollten dort ankern.«
»Verstehe. Und dann?« Die Frage war nur rhetorisch gemeint. Brashen erwartete nicht, dass Clef antwortete.
»Er sagt, wenn wir Glück haben, dann wäre die alte Frau noch am Leben. Wir müssen sie als Geisel nehmen, Sir. Sie ist der Schlüssel zu Kennit. Er würde alles eintauschen, um sie zurückzubekommen. Selbst Althea.« Der Junge holte tief Luft.
»Sie ist Kennits Mutter!«, platzte es dann aus ihm heraus.
»Sagt jedenfalls das Schiff.«
Brashen hob erstaunt die Brauen. Im nächsten Moment hatte er sich wieder gefangen. »Und das solltest du lieber für dich behalten, mein Junge. Sag Cypros, er soll eine Weile das Ruder übernehmen. Ich will mir selbst anhören, was Amber mir zu sagen hat.«
Der Regen ließ in dem Moment nach, als Brashen den Ankerplatz der Schlüsselinsel entdeckte. Aber selbst als die Sonne zögernd durch die Wolken drang, konnte das seine Laune nicht verbessern. Wie Paragon vorhergesagt hatte, ragte eine Pier ins Wasser hinaus. Die Zeit hatte bereits mächtig an ihr genagt. Die Pfeiler standen schief, und in den Planken klafften Löcher. Das Rattern der Ankerkette schien den winterlichen Frieden der Insel zu stören. Doch als Brashen die bewaldeten Hügelkämme über der Pier musterte, vermutete er, dass irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen vermutlich überflüssig waren. Wenn hier jemals Menschen gelebt hatten, dann war die baufällige Pier vermutlich das einzige Lebenszeichen, das von ihnen geblieben war. Er sah keine Häuser. Und am Ende der Pier verschwand ein überwucherter Pfad zwischen den Bäumen.
»Sieht nicht sehr viel versprechend aus.« Clef sprach die Gedanken seines Kapitäns aus.
»Nein. Aber da wir schon einmal hier sind, werden wir uns umsehen. Wir rudern im Beiboot an Land. Ich traue dieser Pier nicht.«
»Wir?« Clef grinste.
»Wir. Ich lasse Amber mit ein paar Leuten an Bord des Paragon. Den Rest der Mannschaft nehme ich mit. Es wird ihnen ganz gut tun, das Schiff eine Weile verlassen zu können. Vielleicht finden wir ja Wild und können hier unsere Wasservorräte auffrischen. Wenn hier wirklich einmal Menschen gelebt haben, muss die Insel ihre Grundbedürfnisse gedeckt haben.« Er sagte Clef nicht, dass er vor allem deshalb den größten Teil der Mannschaft mitnahm, damit sie sich nicht heimlich mit dem Schiff davonmachten, während er an Land war.
Die Männer versammelten sich lustlos, aber bei der Aussicht auf einen Landgang hellten sich ihre Mienen auf. Brashen ließ auslosen, wer an Bord bleiben musste, und befahl dann dem Rest, die Boote zu bemannen. Einige sollten jagen und Nahrung suchen, und eine ausgewählte Schar von Leuten sollte mit ihm gehen. Während die Männer sich fertig machten, schlenderte er mit gespielter Gelassenheit zu Paragon. »Willst du mir
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