Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
sollen.
Viviace? Ihre Gegenwart umhüllte Althea, stärker als ein Duft, durchdringender als Wärme, und ihre Realität war süßer als eine Erinnerung. Das Wesen des Schiffes umgab sie.
Heimkommen und Abschiednehmen vermischten sich. Jetzt konnte sie endlich in Frieden sterben. Althea zwang sich dazu, sich fallen zu lassen, doch stattdessen hüllte Viviace sie mit ihrer Liebe und ihrem Bedürfnis ein. Althea konnte so viel Zärtlichkeit nicht ertragen. Es lockte sie wie ein Licht und bedrohte ihren Entschluss. Sie wandte sich davon ab. Lass mich. Lass mich, lass mich gehen. Liebste. Ich möchte sterben.
Ich sterbe mit dir. Denn ich bin aus Tod gemacht, eine Perversion, eine Missgeburt, und ich bin so müde, hier im Dunkeln gefangen gehalten zu werden. Bist du nicht gekommen, um mich zu befreien – um mich zum Tod zu führen?
Viviaces Gedanken entsetzten Althea. Vor ihrem eigenen Leben zu fliehen war eine Sache. Aber gleichzeitig das Leben ihres Schiffes zu beenden war eine ganz andere.
Entscheidungen, die noch vor einem Moment ganz klar gewesen waren, kamen plötzlich ins Wanken. Sie stieß sich schwach von dem Schiff ab, versuchte, ihr Bewusstsein von dem der Viviace zu trennen. Kälte durchströmte ihren missbrauchten Körper, aber je mehr sie sich vom Leben zurückzog, desto tiefer glitt sie in ihr Schiff.
Ich bin hier so tief unten, dass es beinahe wie ein Tod ist , gestand das Schiff. Wenn ich wüsste, wie ich loslassen könnte, dann würde ich es tun. Sie hat mir alles genommen, Althea. Kein Meer, keinen Himmel mehr, keinen Wind auf meinem Gesicht. Wenn ich nach Wintrow greife, dann droht sie, ihn zu ermorden. Kennit hört mich gar nicht mehr. Sie enthält ihm alle Wahrnehmung von mir vor und verspottet mich, weil ich mich nach den Menschen sehne. Ich habe versucht zu sterben, aber ich weiß nicht wie. Rette mich. Nimm mich mit, wenn du stirbst.
Nein! Althea verbot es ihr entschieden. Das muss ich allein tun. Du musst weiterleben. Sie wandte sich von dem Schiff ab, aber es tat weh. Sie ließ los.
So wird es also gemacht. Das Herz schlägt langsamer, der Atem geht flacher und immer flacher. Ein Gift kriecht durch deinen Körper. Es wird dich hinwegtragen. Aber ich habe keine solche Fluchtmöglichkeit vor ihr. Ich habe kein eigenes Herz, noch wird ein Mangel an Luft mich zur Ruhe bringen. Sie hält mich hier fest, weil sie mein Wissen benötigt. Ich kann ihr nicht ausweichen. Lass mich nicht hier allein im Dunkeln. Nimm mich mit dir mit.
Althea fühlte, wie das Schiff nach ihr griff und sich an ihr festhielt. Es erinnerte sie an ein Kind, das sich an die Röcke seiner Mutter klammert. Sie bemühte sich darum, diese Verbindung zu unterbrechen. Viviace gab nicht nach, aber Althea hatte sich entschieden. Doch die Anstrengung, sich von dem Schiff zu lösen, entfachte die Glut ihres Lebens. Irgendwo hustete ihr Körper. Ein bitterer Geschmack stieg ihr in den Mund. Sie stieß die Luft aus und fühlte, wie ihr Herz regelmäßiger schlug. Nein. Das war nicht das, was sie wollte.
Sie wollte loslassen, nicht kämpfen. Viviace machte es ihr so schwer. Lass mich sterben. Lass mich einfach sterben und ein Teil von dir werden, mit meinem Vater und denen, die vor ihm gegangen sind. Lass mich nur in dir weiterbestehen. Im Leben wartet keine Freude mehr auf mich.
Nein. Es wird dir nicht gefallen, mir Gesellschaft zu leisten. Es lohnt nicht, an dem teilzuhaben, was ich jetzt bin. Wenn du das Leben aufgibst, musst du es ganz tun, nicht hier in der Dunkelheit mit mir gefangen. Bitte. Lass uns zusammen gehen.
Die Kälte umhüllte sie. Der Entschluss des Schiffes stand felsenfest. Es wollte sterben. Althea war entsetzt. Widerwillig klammerte sie sich an ihr eigenes Leben und ihr Bewusstsein.
Sie atmete rasselnd. Sie durfte nicht zulassen, dass Viviace ihr in den Tod folgte. Sie musste sie überreden. Schiff, meine wunderschöne Viviace! Warum?
Warum? Du weißt, warum. Mein Leben ist ruiniert. Für mich gibt es nichts Gutes im Morgen.
Die Qualen des Schiffes spülten über Althea hinweg. Das Wissen um ihre Herkunft und ihre quälenden Zweifel packten Althea und hätten sie beinahe von ihrem Körper getrennt. Aber eigensinnig hielt sie sich jetzt an ihrem Leben fest. Sie würde nicht zulassen, dass ihr Schiff so endete. Viviace klammerte sich an Altheas Willen und versuchte, sie beide hinunterzuziehen. Ich bin aus Tod entstanden! , jammerte sie in Altheas Seele.
Nein! Nein, das bist du nicht! , versicherte Althea ihr
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