Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
du an meiner Geschichte zweifelst.«
Jek klappte die Schmuckschatulle auf. Sie antwortete, während sie den glitzernden Inhalt betrachtete. »Du lügst nicht, Althea.« Sie holte tief Luft und fügte dann zögernd hinzu: »Es sind die Umstände, die mir… zu denken geben. Das Ganze ergibt einfach keinen Sinn. Warum sollte er dich vergewaltigen? Er hat eine Frau, hat Vergewaltigung auf diesem Schiff verboten, und er hat den Ruf eines Gentlemans. In Divvytown spricht keiner schlecht von ihm. Er hat mich zweimal am Tag aufgesucht und mich sehr zuvorkommend behandelt, trotz der Ketten. Selbst das Schiff ist schockiert über die Vorstellung, dass er so etwas tun könnte.« Sie wühlte in den Kleidern und hielt sich dann einen weichen, blauen Rock vor. »In den Wanten kann ich damit wohl kaum herumklettern«, bemerkte sie beiläufig. Aber Althea ließ sich von ihrem Humor nicht ablenken.
»Also glaubst du, dass es alles nur an dem Mohnsirup lag?«, fragte sie hitzig.
Jek zuckte mit den Schultern. »Er hat mir in den Branntwein auch Mohnsirup gegeben. Gegen die Verätzungen. Es hat geholfen. Aber es hat mir auch höchst lebhafte Träume beschert.« Sie runzelte die Stirn. »Ich hasse den Mann, Althea. Wenn er nicht wäre, würden alle meine Freunde noch leben.
Aber abgesehen davon zeigt er ein Verhalten, das durchaus ehrenhaft…«
»Es war kein Traum!« Althea sah Wintrow anklagend an.
»Du glaubst mir auch nicht, hab ich Recht? Du bist sein duckmäuserischer kleiner Gefolgsmann geworden, ja? Du hast ihm unser Familienschiff ohne die geringste Gegenwehr überlassen.«
Noch bevor Wintrow sich verteidigen konnte, erklärte Jek:
»Versetz dich doch mal in meine Lage, Althea. Wenn ich dir jetzt sagen würde, dass Brashen mich angegriffen hätte? Denk mal, wie schwer es dir fallen würde, das zu akzeptieren. Du hast eine schreckliche Erfahrung durchgemacht. Du wärst beinahe ertrunken und nachdem du dich wieder erholt hast, musstest du feststellen, dass dein Schiff untergegangen ist und alle Matrosen und Brashen mit sich genommen hat. Du trauerst. Es ist nur natürlich, dass du Kennit hasst und ihn aller möglichen Untaten für fähig hältst. So etwas würde jedermanns Verstand strapazieren.«
»Aber nicht deinen.«
Jek schwieg einen Moment. Sie redete leiser, als sie fortfuhr.
»Ich trauere auf meine eigene Art. Amber war keine flüchtige Bekannte. Ich habe sogar aus Trauer eine Haarlocke abgeschnitten, auch wenn du das nicht verstehst. Aber ich habe eine Freundin verloren, keinen Geliebten. Du hast Brashen verloren. Das muss dich natürlich viel mehr treffen.«
Die Bedeutung von Jeks Worten sickerte nur langsam in Wintrows Verstand. Dann war er wie betäubt. Er starrte seine Tante ungläubig an. Sie erkannte seinen schockierten Gesichtsausdruck. »Ja, ich habe mit Trell geschlafen. Vermutlich teilst du die Meinung deiner Mutter in dieser Angelegenheit. Eine Hure kann man nicht vergewaltigen, richtig, Wintrow?«
Die Ungerechtigkeit ihrer Worte weckte seinen eigenen Ärger. Das wollte er sich nicht gefallen lassen. Ettas Launen zu ertragen hatte ihn zumindest Mut gelehrt. »Ich habe dich nicht verurteilt«, verteidigte er sich. »Ich war nur überrascht. Und ich habe auch das Recht, schockiert zu sein. So etwas erwartet man nicht von einer Händlerstochter. Aber damit meine ich nicht…«
»Geh zum Teufel, Wintrow«, erwiderte Althea voller Wut.
»Du bist genau zu dem geworden, was ich von Kyle Havens Sohn erwartet habe.«
Diese Worte trafen ihn tiefer, als sie eigentlich sollten. Er bemühte sich, gleichmütig zu antworten. »Das war nicht fair. Du willst einfach auf alle wütend sein, also unterstellst du meinen Worten eine Bedeutung, die ich nicht beabsichtigt hatte. Du hast mir noch gar keine Chance gegeben zu antworten. Ich habe nie gesagt, dass ich dir nicht glaube.«
»Das musst du auch nicht. Dass du zu Kennit hältst, zeigt hinlänglich, was du glaubst. Mach, dass du rauskommst. Und nimm das hier mit!« Sie streckte ein Bein aus und stieß damit die Schmuckschatulle verächtlich vom Bett.
Er ging zur Tür. »Vielleicht halte ich ja gar nicht zu Kennit. Vielleicht halte ich nur zu meinem Schiff.«
»Halt dein Maul!«, brüllte sie. »Ich will deine Ausflüchte nicht hören! Ich habe schon genug gehört!«
»Wenn du dich weiter wie eine Verrückte benimmst, werden dich die Leute auch wie eine behandeln!«, warnte er sie. Dann schloss er vernehmlich die Tür hinter sich. Er hörte einen Knall und das
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