Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
extravaganter erscheinen zu lassen. Sie wollte nicht zulassen, dass ihre Bemühungen verschwendet waren. Also starrte sie die Viviace an und versuchte nicht daran zu denken, ob ihr Vater noch am Leben war und was er von ihrer Verwandlung halten mochte.
Dann sah sie Wintrow an der Reling stehen. Malta erhob sich ungläubig. »Wintrow!«, rief sie ihrem Bruder zu. Er starrte sie nur ausdruckslos an. Ein blonder Haarschopf an der Reling ließ ihr Herz vor Hoffnung schneller schlagen, aber es war nicht ihr Vater, der ihr da entgegenblickte, sondern eine Frau. Der Satrap sah sie wegen ihrer mangelnden Beherrschung finster an, aber sie ignorierte ihn. Beunruhigt musterte sie die Menschen an der Reling und hoffte wider alle Vernunft, dass Kyle Haven vortreten und ihren Namen rufen möge. Doch die Hand, die plötzlich auf sie deutete, gehörte ganz unverwechselbar ihrer Tante Althea.
Althea lehnte sich gefährlich weit über die Reling. Sie packte Jeks Unterarm und deutete auf das Mädchen in dem Ruderboot.
»Bei Sa! Das ist Malta!«, rief sie.
»Das kann nicht sein!« Wintrow trat neben seine Tante an die Reling und starrte auf das Mädchen. »Sie sieht tatsächlich wie Malta aus!«, gab er dann zu.
»Wer ist diese Malta?«, fragte Kennit beinahe widerwillig.
»Meine kleine Schwester«, antwortete Wintrow, während jeder Ruderschlag sie näher brachte. »Sie sieht ihr sehr ähnlich. Aber das kann nicht sein.«
»Nun, es wäre ein außerordentlicher Zufall. Aber wir haben ja bald Gewissheit«, erwiderte Kennit fröhlich. Der Wind schien seine Worte flüsternd zu wiederholen. Sein Magen verkrampfte sich, und er hob die Hand, als wollte er sein Haar glätten.
Dabei hielt er das Amulett dicht an sein Ohr.
»So etwas wie außerordentliche Zufälle gibt es nicht. Es gibt nur Bestimmung. Das behaupten jedenfalls die Anhänger von Sa.« Und kaum hörbar fügte es hinzu: »Das ist kein gutes Omen, sondern die Vorankündigung deines Todes. Sa wird dich dafür bestrafen, dass du Etta verstoßen hast.«
Kennit schnaubte verächtlich und verschränkte seine Hände beiläufig auf dem Rücken. Er hatte die Hure nicht verstoßen, sondern sie nur für später aufbewahrt. Dafür würde ihn Sa nicht bestrafen. Keiner würde ihn dafür bestrafen. Genauso wenig würde Kennit vor der Größe der Gelegenheit zurückzucken, die ihm das Schicksal da präsentierte. Die größte Beute bekamen immer die Männer mit den kühnsten Händen. Er lächelte, während er mit der einen Hand das Handgelenk der anderen umklammerte und die Augen und den Mund des Amuletts mit der Spitze seines Hemdes verdeckte.
Doch dann sprach Wintrow, und Kennit lief ein Schauer der Furcht über den Rücken. Der Junge starrte das nahende Boot und das ihnen zugewandte Gesicht des Mädchens an, als er beinahe träumerisch sagte: »Bei Sa, es gibt keine außerordentlichen Zufälle. Sondern nur Bestimmung.«
Malta starrte sie an. Sie war vor Schreck wie gelähmt. Was hatte das zu bedeuten? War Althea Kennits Piraten beigetreten, statt das Lebensschiff der Familie zu retten? So heimtückisch konnte sie nicht sein. Oder doch? Was war mit Wintrow? Als sie längsseits kamen, wurde zuerst der Satrap an Bord gehievt.
Unter den anfeuernden Rufen der Matrosen packte sie selbst die Strickleiter, die ihnen zugeworfen wurde. Einer der Matrosen der Motley begleitete sie, als sie die unangenehm schwingende Leiter aus feuchtem, glitschigem Tau hinaufkletterte. Sie versuchte so zu tun, als wäre es ein Kinderspiel. Die nassen Tauenden weichten ihre leichten Handschuhe auf, mit denen sie ihre aufgerauten Hände verdecken wollte. Doch der anstrengende Aufstieg war in dem Moment vergessen, als sie die Reling anfasste und an Bord gezogen wurde. Eine merkwürdige Energie durchströmte sie.
Sie vergaß sogar, Kapitän Kennit anzusehen, als sie mit dem Blick ihren Vater suchte.
Dann war Wintrow da und umarmte sie erheblich männlicher, als sie es von ihrem dürren Bruder erwartet hätte. Er war sichtlich gewachsen und muskulöser geworden. »Malta! Sa selbst hat dich unversehrt zu uns geführt!«, rief er. Seine Stimme war tief und klang der ihres Vaters recht ähnlich. Die Tränen, die Malta plötzlich in die Augen traten, erschreckten sie, wie auch die Intensität, mit der sie ihren Bruder festhielt.
Seine Kraft und seine Willkommensworte stimmten sie froh.
Während dieser langen Umarmung merkte sie plötzlich, dass auch Altheas Arme sie umschlangen. »Aber wie? Wie bist du
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