Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
Paragon versenkt hatte, schien Vorbehalte gegen Altheas Anschuldigungen zu haben. Dieser Mangel an Unterstützung für ihre Sache dämpfte zweifellos ihr Verlangen, ihn zu töten.
Der größte Teil der Mannschaft interessierte sich nicht dafür, was er ihr angetan hatte oder nicht. Er war immerhin ihr Kapitän, und die Piraten seiner Mannschaft hatten noch nie ernste Schwierigkeiten wegen ihrer Moral gehabt. Einige, die Etta besonders mochten, waren eher über deren Abwesenheit besorgt als über Altheas Gegenwart. Andere schienen zu glauben, dass er Etta irgendwie Unrecht getan hatte.
Vermutlich war es auch das, was Wintrow am meisten umtrieb.
Er sprach zwar nie direkt darüber, aber von Zeit zu Zeit bemerkte Kennit, wie der Junge ihn nachdenklich betrachtete.
Glücklicherweise tat er das nicht oft. Stattdessen verbrachte er die meiste Zeit mit dem vergeblichen Versuch, eine Verbindung zu seiner Tante herzustellen.
Althea ignorierte ihren Neffen jedoch konsequent. Wintrow ertrug ihre Abfuhren sanftmütig, schaffte es aber dennoch, sich die meiste Zeit in ihrer Nähe aufzuhalten. Er hoffte anscheinend auf eine Familienzusammenführung. Um ihn zu beschäftigen, hatte Kennit ihm den größten Teil des alltäglichen Kommandos auf dem Schiff übertragen. Der Junge war wesentlich klüger als Jola. Unter anderen Umständen hätte Kennit ihn umgehend zum Ersten Maat befördert. Wintrow hatte einen angeborenen Instinkt als Kommandeur.
Was jedoch am meisten an Kennit nagte, war, dass er keinen einzigen Augenblick mit Althea allein hatte. Seine behutsamen Nachforschungen ergaben, dass Althea entweder mit Jek in ihrer Kabine oder auf dem Vordeck bei der Galionsfigur war.
Das wiederum amüsierte Kennit, denn er wusste, dass das Schiff sich bemühte, Althea davon zu überzeugen, dass Kennit sie niemals so misshandelt haben würde, wie sie behauptete.
Mehr als alle anderen Einflüsse schien Viviaces Verhalten das Vertrauen von Althea in ihre eigene Wahrnehmung zu unterminieren. Wenn er abends auf das Vordeck kam, um mit Viviace zu plaudern, stürmte Althea nicht länger mit Jek im Schlepptau davon, sondern zog sich ein wenig zurück und lauschte. Sie beobachtete all seine Bewegungen und versuchte, das Monster zu entdecken, als das sie ihn empfand. Aber das gelang ihr natürlich nicht.
Als das kleine Boot näher kam, sah Kennit, dass nicht nur der Satrap darin saß, der mit geliehener Kleidung herausgeputzt war, sondern auch seine junge Gefährtin. Der Satrap starrte stur geradeaus und ignorierte ihre Schlangeneskorte. Das junge Mädchen jedoch sah mit bleichem Gesicht zum Schiff hoch.
Selbst aus dieser Entfernung wirkten ihre dunklen Augen riesig. Der merkwürdige Turban auf ihrem Kopf entsprach zweifellos neuester jamaillianischer Mode. Er fragte sich unwillkürlich, wie Althea wohl mit einem solchen Kopfschmuck aussehen würde.
Althea musterte Wintrow, der zu dem Beiboot der Motley hinunterstarrte, während es sich ihnen näherte. Er war reifer geworden, seit er den Hafen von Bingtown verlassen hatte. Es war unheimlich, sein Profil zu beobachten. Sie waren sich so ähnlich, dass es Althea vorkam, als erblicke sie ihr männliches Spiegelbild. Diese Ähnlichkeit machte seinen Betrug noch unverzeihlicher. Sie würde ihm niemals vergeben können.
Ein sachter Tadel sickerte von der Reling, die sie umklammerte, in ihre Hände. »Ich weiß, ich weiß. Lass es ruhen«, erwiderte sie murmelnd. Mehrmals hatte das Schiff sie schon aufgefordert, ihre Wut loszulassen. Doch wenn sie den Zorn aufgab, würden nur Trauer und Leid übrigbleiben. Zorn war einfacher. Ihn konnte sie leichter nach außen kehren. Das Leid jedoch konnte sie von innen auffressen.
Sie konnte diese Angelegenheit nicht einfach vergeben und vergessen. Diese Vergewaltigung ergab keinen Sinn und gehorchte auch keinerlei Logik. Sie entsprang dem Verhalten eines Verrückten, aber der höfliche und intelligente Kapitän Kennit war alles andere als verrückt. Also was war geschehen?
Konnte es wirklich so gewesen sein, wie Kennit behauptete?
War es ein perverser Traum gewesen, den der Mohnsirup ausgelöst hatte? Das Schiff hatte versucht, sie zu versöhnen, indem es andeutete, dass es vielleicht auch ein anderer Matrose gewesen sein könnte. Doch Althea stritt das vehement ab. Sie klammerte sich ebenso krampfhaft an die Wahrheit, wie sie sich an ihre geistige Gesundheit klammerte. Das eine aufzugeben bedeutete, auch des anderen verlustig zu gehen.
In mancher
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