Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
und sein Sohn ein Prinz. Oder er konnte sich Ettas entledigen, sie irgendwo hinbringen, dort aussetzen und weitermachen. Dann würde niemand von ihm abhängig sein, und er konnte niemanden enttäuschen. Seine Gedanken wirbelten nicht nur herum, sondern ratterten wie Steine in seinem Verstand. Vielleicht log sie ja auch. Oder sie irrte sich. Wollte er ein Kind ? Und wenn es nun ein Mädchen war ?
»Würdest du es dann auch Paragon nennen?«, flüsterte das Amulett an seinem Handgelenk bösartig. Es lachte leise. »Das Schicksal lauert nicht mehr im Verborgenen. Ein Teil davon ist mit der Drachenkönigin davongeflogen. Es verkündet, dass die Herren der Drei Reiche wieder fliegen werden. Der Rest des heutigen Schicksals fällt dir auf den Kopf. Es wiegt etwas mehr als eine Krone, hab ich Recht?«
»Lass mich in Ruhe«, zischte Kennit. Er sprach nicht zu dem Amulett, sondern zu der Vergangenheit, die sich erhob und ihn zu vereinnahmen drohte. Andere Erinnerungen, Erinnerungen, die er komplett verdrängt hatte, strömten wieder in sein Gedächtnis. Er stand zwischen den Armen seines Vaters und umklammerte mit seinen kleinen Händen die inneren Speichen des Steuerruders vom Paragon , während sein Vater das Schiff auf Kurs hielt. Er erinnerte sich daran, wie er hoch oben auf den Schultern seines Vaters geritten war und seine Mutter zu ihm hinaufgelacht hatte. Ein bunter Schal flatterte in ihrem dunklen Haar, während sie durch Divvytown flanierten. Diese strahlenden und freudigen Erinnerungen waren noch unerträglicher als alle Schmerzen, an die er sich erinnerte. Sie waren ein Hohn, eine Lüge, denn alle Liebe und Sicherheit waren in einer einzigen dunklen und blutigen Nacht ausradiert worden.
Jetzt würde Etta alles von vorn beginnen. War sie verrückt geworden? Wusste sie denn nicht, was dann passieren musste?
Irgendwann würde er dem Kind natürlich wehtun müssen.
Nicht, weil er es wollte, sondern weil es unausweichlich war.
Dieser Augenblick markierte das Ende des Schwungs eines Pendels. Sie saßen darauf und mussten mitreiten, bis zum anderen Ende, zu dem Platz, an dem er Igrot war und Igrot er.
Dann musste das Kind die Rolle einnehmen, die früher einmal Kennit gespielt hatte.
»Du armseliger, jämmerlicher Mistkerl!«, flüsterte das Amulett entsetzt. Nichts würde das Schicksal aufhalten. Nichts konnte ihn oder das Kind retten. Die Ereignisse mussten ihrem Muster folgen. Nichts durfte den Kreislauf der Zeit unterbrechen. Die Dinge würden genau so geschehen wie sie schon immer abgelaufen waren. Es gab kein Entrinnen.
»Sir?« Jola stand unmittelbar neben ihm. Wie lange war er schon hier? Kennits Gedanken verwehten wie Löwenzahnsamen, die von einem Kind weggepustet wurden.
Was hatte er gedacht? Wann hatte es angefangen zu regnen?
Verdammt sollte die Frau sein! Warum hatte sie ausgerechnet diesen Moment gewählt, um ihn abzulenken? Sein Erster Maat schluckte und redete weiter. »Das jamaillianische Schiff ruft uns an!«
»Wo ist der Satrap?«, wollte Kennit wütend wissen. Er zog den Mantel fester um sich und strich sich das Wasser vom Gesicht. Der Regen war eiskalt.
Jola wirkte eingeschüchtert. »Hinter Euch, Sir.«
Kennit sah zurück. Malta stand neben dem Satrapen und trug den Turban wieder auf dem Kopf. Wintrow blieb in der Nähe seiner Schwester. Wann waren sie alle auf das Vordeck gekommen? Wie lange stand er schon hier, benommen von Ettas Mitteilung?
»Natürlich!« Er richtete seinen Zorn jetzt auf ein anderes Ziel. »Genau da, wo er sein sollte. Erwidert ihren Gruß. Sagt ihnen, Kapitän Kennit wäre ihnen freundlich gesonnen. Erinnert sie daran, dass ich jederzeit die Schlangen zurückholen kann. Sagt ihnen, dass ich sie nicht vernichten, sondern einfach nur dazu bringen will, einen rechtmäßigen Vertrag einzuhalten. Sie können ein Schiff mit Repräsentanten vorschicken. Wir werden ihnen erlauben, an Bord zu kommen. Dann werden sie vom Satrapen selbst hören, dass meine Behauptungen stimmen.«
Jola wirkte erleichtert. »Dann haben die Schlangen uns nicht im Stich gelassen? Sie kommen zurück, wenn Ihr sie ruft?«
Wäre eine Schlange in der Nähe gewesen, hätte Kennit den Maat sofort an sie verfüttert.
»Überbring meine Nachricht!«, fuhr er Jola an. Er drehte sich wieder um und starrte die bedrohliche Streitmacht an. Jetzt sah er, um was für eine Art Flotte es sich handelte. Jedes Schiff gehörte einem Adligen, und jeder von ihnen hegte die Hoffnung, dass er mit Beute beladen
Weitere Kostenlose Bücher