Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
nichts, was sie nicht besser mit dieser einfachen Berührung hätte sagen können. Clef tauchte plötzlich auf. Er stand vor Althea und Brashen und schüttelte missbilligend den Kopf. »Und das vor der ganzen Mannschaft«, tadelte er sie mit einem respektlosen Grinsen. Althea holte spielerisch nach ihm aus. Zu ihrer Überraschung schnappte Clef ihre Hand und drückte sie kurz fest an seine Wange. »Gut, dass Ihr wieder hier seid!«, platzte es aus ihm heraus. »Es ist so gut, dass Ihr nicht tot seid!« So schnell er ihre Hand gepackt hatte, so schnell ließ er sie auch wieder los. »Wie kommt's, dass Ihr Paragon noch nichts gesagt habt? Er hat jetzt ein neues Gesicht, wisst Ihr? Und eine Axt. Und blaue Augen wie ich.«
»Blaue Augen?«, explodierte Amber ungläubig. »Sie sollten dunkelbraun sein, fast schwarz!« Sie wirbelte herum und lief los.
»Hexenholz ist schon ein merkwürdiges Zeug«, erinnerte Brashen sie selbstgefällig.
»Bisschen spät, um sie umzufärben«, bemerkte Clef fröhlich.
»Außerdem mag ich sie. Sie sind freundlich. Wie die von Mutter.« Er lief hinter ihr her.
Sie waren jetzt fast allein, wenn man Semoy nicht zählte. Der alte Seemann sah konzentriert geradeaus, als Brashen sie küsste. Die Erinnerung an die Vergewaltigung schoss ihr nur kurz durch den Kopf. Dann packte sie Brashen und erwiderte trotzig seinen Kuss. Sie würde dies hier nicht mit dem Angriff des Piraten vergleichen. Sie würde nicht zulassen, dass dies zwischen ihnen stand.
Aber als sie ihn losließ, war Brashens Blick getrübt. Er war einfach zu einfühlsam. Fragend blickte er in ihr Gesicht, und sie zuckte leicht mit den Schultern. Es war jetzt nicht der richtige Moment, um es ihm zu erzählen. Sie fragte sich, ob jemals der richtige Moment kam.
Vermutlich wollte er das Thema wechseln, als er fragte:
»Warum gehen wir nicht nach vorn und versichern Paragon, dass du an Bord und gesund und munter bist?«
»Das weiß er schon. Ohne ihn wäre ich es nicht«, antwortete sie. Der Schock, seine Augen zu sehen, als er sie gefangen hatte, steckte ihr immer noch in den Knochen. Es waren Kennits Augen. Sie hatte sich beinahe geschämt, weil sie schrie, als die großen Hände des Schiffes sie gepackt hatten.
Sie wusste, dass Paragon es gespürt hatte. Er hatte sie nicht lange festgehalten, sondern sie schnell in Brashens Arme weitergegeben. »Ich gehe in einem ruhigen Moment zu ihm und spreche mit ihm«, erwiderte sie auf Brashens verblüfftes Schweigen. »Jetzt noch nicht.« Sie unternahm einen ersten Versuch. »Kennit ist jetzt ein Teil von ihm, hab ich Recht?«
Er versuchte, es ihr zu erklären. »Kennit war ein Ludluck. Wusstest du das?«
»Nein«, sagte sie langsam. Kennit war ein Bingtown-Händler-Nachfahre? Das entsetzte sie.
Brashen ließ ihr einen Moment Zeit, die Neuigkeit zu verdauen, bevor er weitersprach. »Wir vermuteten schon seit Divvytown, dass der Paragon Igrots legendäres Schiff war. Bingtown hat ja immer abgestritten, dass der Pirat ein Lebensschiff haben könnte, aber er hatte eins. Paragon. Und in Kennit hatte er eine Geisel, mit der er das Schiff gefügig machte.«
»Bei Sa!« Jetzt passte alles zusammen. Ihr Verstand bemühte sich, alles ins richtige Verhältnis zu setzen. »Also ist Kennit nach Hause auf sein Deck gekommen. Um wieder eins mit seinem Schiff zu werden.« Es lief ihr vor Entsetzen eiskalt über den Rücken.
Brashen nickte und beobachtete sie. »Er war immer eins mit ihm, Althea. Ich glaube nicht, dass sein Tod auf Paragons Deck das Schiff verändert hat, außer, dass es jetzt Frieden gefunden hat. Es ist endlich ganz, ein komplettes Selbst. Die Drachen, die Ludlucks, Männer und Jungen, und Kennit, sie alle sind zu einem einzigen Wesen verschmolzen.« Sie drehte sich bei diesen Worten um, aber er legte zwei Finger unter ihr Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich. »Und wir«, sagte er beinahe hitzig.
»Du und ich. Amber und Jek. Clef. Alles, was wir in ihn gelegt haben, wurde ebenfalls ein Teil von ihm. Wende dich jetzt nicht von ihm ab, bitte. Hör nicht auf, ihn zu lieben.«
Althea konnte sich kaum auf seine Worte konzentrieren. Sie hatte sich davor gefürchtet, Brashen von der Vergewaltigung zu erzählen, war aber entschlossen gewesen, es zu tun. Doch wie sollte sie es ihm jetzt erzählen, ohne seine Liebe zu dem Schiff zu schmälern? Ihre Gedanken wirbelten in ihrem Kopf.
»Althea?«, fragte Brashen besorgt.
»Ich werde es versuchen«, erwiderte sie schwach. Plötzlich
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