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Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche

Titel: Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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langsam auf den Rücken. Sie rutschte etwas von ihm weg. Er bewegte sich nicht, und sie starrte in die Dunkelheit. Sie schloss die Augen, aber an Schlaf war nicht zu denken. Sie fühlte den Schaden, den ihr Geheimnis anrichtete.
    Mit jedem Moment wurde das Missverständnis größer. Eine Nacht, beruhigte sie sich. Eine Nacht, mehr brauche ich nicht.
    Morgen wird es besser sein. Ich werde zusehen, wie Kennit über die Reling geht, und wissen, dass er für immer weg ist.
    Eine Nacht, entschuldigte sie sich, das ist nicht zu viel verlangt.
    Es funktionierte nicht. Sie fühlte, wie Brashens Gekränktheit von ihm ausstrahlte wie Wärme. Seufzend drehte sie sich von ihm weg. Morgen, morgen würde sie alles zwischen ihnen klären. Sie konnte darüber hinwegkommen, sie wusste, dass sie es konnte.
    Die Frau war etwas Besonderes. Sie war nicht einmal hübsch, obwohl Etta zugeben musste, dass sie auf eine geheimnisvolle Weise faszinierend war. Schlangengift hatte Narben auf ihrem Gesicht hinterlassen und ihr Haar zu ungleichmäßigen Strähnen ausgedünnt. Ein schwacher Flaum auf ihrer Kopfhaut deutete darauf hin, dass es irgendwann nachwachsen würde, aber jetzt war sie gewiss alles andere als eine Schönheit.
    Dennoch hatte Wintrow ihr die ganze Nacht Seitenblicke zugeworfen. Mitten in den wichtigsten Entscheidungen seines Lebens besaß sie die Macht, ihn abzulenken. Niemand hatte Etta gesagt, wer sie war oder warum sie überhaupt bei den Gesprächen anwesend war.
    Etta hatte sich auf Kennits Bett gelegt und ihren Kopf auf die Kissen gebettet, die nach seinem Lavendel dufteten, hatte sich in seine Decken vergraben. Sie konnte nicht schlafen. Je mehr sie sich in diese Dinge vergrub, desto isolierter fühlte sie sich.
    Es war beinahe eine Erleichterung, über Amber nachzudenken.
    Nicht, dass es sie interessierte, das heißt, doch, das tat es. Wie konnte Wintrow in einem solchen Moment dieser Frau seine Aufmerksamkeit gewähren? War er sich denn der Wichtigkeit der Aufgaben nicht bewusst, die Kennit ihm hinterlassen hatte?
    Noch beunruhigender als die Art und Weise, wie Wintrow Amber angesehen hatte, war die vollkommene Faszination, die Amber ihm gegenüber empfunden hatte. Die Frau hatte ihn mit ihren eigenartigen Augen geradezu studiert. Es war keine ehrliche Lust gewesen, wie sie diese blonde Barbarin den ganzen Abend ausgestrahlt hatte. Amber hatte Wintrow beobachtet, wie eine Katze einen Vogel betrachtet. Oder eine Mutter ihr Kind.
    Sie hatte nicht gefragt, ob sie mit ihnen zur Viviace zurückkehren durfte. Sondern einfach im Boot gewartet. »Ich muss mit Wintrow Vestrit sprechen. Unter vier Augen.« Sie hatte sich weder entschuldigt noch etwas erklärt. Und Wintrow hatte trotz seiner offensichtlichen Erschöpfung ihr Ersuchen mit einem kurzen Nicken akzeptiert.
    Also warum beunruhigte sie das? Suchte sie so schnell einen neuen Mann, nachdem der eine tot war? Sie hatte keinerlei Anspruch auf Wintrow. Sie hatte auf niemanden einen Anspruch. Aber ihr wurde plötzlich klar, dass sie auf ihn gezählt hatte. In ihren Träumen für Kennits Kind war es immer Wintrow gewesen, der es lesen und schreiben lehrte, Wintrow, der an seiner Seite war, um Kennits Zurückhaltung zu mildern – und ihre eigene Unsicherheit. Wintrow hatte sie heute Abend Königin genannt, und niemand hatte gewagt, ihm zu widersprechen. Aber das bedeutete nicht, dass er an ihrer Seite bleiben würde. Heute hatte ihn eine Frau angesehen, und Etta wusste, dass er einfach von ihr weggehen und ein eigenes Leben beginnen könnte.
    Sie fuhr mit einem Kamm durch ihr dunkles Haar. Dabei fiel ihr Blick auf ihr Spiegelbild in Kennits Spiegel, und sie fragte sich plötzlich: Warum? Warum mache ich mir die Mühe, mein Haar zu kämmen, warum schlafe ich, warum atme ich? Warum mache ich mir die Mühe nachzudenken? Sie senkte den Kopf wieder in ihre Hände. Sie hatte keine Tränen mehr. Ihre Augen schienen voller Sand zu sein, und ihre Kehle war rau von ihrer Trauer, aber es erleichterte sie nicht. Keine Tränen und auch keine Schreie konnten diesen Schmerz lindern. Kennit war tot.
    Diese Qual durchfuhr sie wie ein Messerstich.
    Aber sein Kind ist nicht tot.
    So klar, als hätte Kennit diese Worte geflüstert, erreichte der Gedanke sie. Sie richtete sich auf und holte tief Luft. Sie würde eine Weile an Deck spazieren gehen, um sich zu beruhigen.
    Dann würde sie sich hinlegen und endlich schlafen. Morgen musste sie ausgeruht und wach sein, um die Interessen der Pirateninseln

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