Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
zu vertreten. Das hätte Kennit von ihr erwartet.
»Es tut mir Leid, dass Ihr hier mit mir sprechen müsst. Im Moment verfüge ich nicht über eine eigene Kabine.«
»Es spielt keine Rolle, wo wir uns unterhalten, nur, dass wir es tun.« Amber musterte ihn, als wäre er ein seltenes Buch.
»Und manchmal ist es in der Öffentlichkeit weit privater als unter vier Augen.«
»Wie bitte?« Die Frau sprach kompliziert und gewunden.
Wintrow hatte das Gefühl, als müsste er aufpassen, was er zu ihr sagte, und noch mehr darauf achten, was sie zu ihm sagte.
»Ich bin ziemlich müde«, entschuldigte er sich.
»Das sind wir alle. Es ist heute viel zu viel geschehen für einen einzigen Tag. Wer hätte geglaubt, dass so viele Fäden an einem Ort zusammenlaufen könnten? Aber so kommt es manchmal. Und das Ende des Fadens muss mehrmals durch das Knäuel hindurchlaufen, bevor es entwirrt ist.« Sie lächelte ihn an. Sie standen im Dunkeln auf dem Achterdeck. Das einzige Licht spendeten die Scheiterhaufen am weit entfernten Strand. Er konnte ihre Gesichtszüge nicht genau erkennen, aber er wusste, dass sie lächelte, als sie mit ihren Handschuhen spielte.
»Es tut mir Leid. Ihr wolltet mit mir sprechen?« Hoffentlich kam sie bald zum Punkt.
»Das wollte ich. Um Euch zu sagen, was Ihr mir schon dreimal gesagt habt: Entschuldigung. Ich muss mich bei Euch entschuldigen, Wintrow Vestrit. Ich weiß nicht, wie ich Euch verpassen konnte. Ich habe über zweieinhalb Jahre nach Euch gesucht. Wir müssen in Bingtown sogar über dieselben Straßen gegangen sein. Ich konnte Euch fühlen, einmal sogar ganz nah, und dann wart Ihr verschwunden. Stattdessen habe ich Eure Tante gefunden. Später auch Eure Schwester. Aber Euch habe ich irgendwie verpasst. Und dabei wart Ihr derjenige, den ich finden sollte. Wenn ich jetzt neben Euch stehe, weiß ich das ohne jeden Zweifel.« Sie seufzte, und jede Leichtigkeit verschwand aus ihren Worten, als sie den Kopf schüttelte und zugab: »Ich weiß nicht einmal, ob ich getan habe, was ich sollte. Ich weiß nicht, ob Ihr Eure Rolle erfüllt oder ob Ihr sie erst begonnen habt. Ich habe es so satt, es nicht zu wissen, Wintrow Vestrit. Ich bin es so Leid, zu raten und zu hoffen und immer nur mein Bestes zu tun. Einmal, nur einmal, möchte ich wissen, ob ich es richtig gemacht habe.«
Sein Körper summte vor Müdigkeit. Ihre Worte ergaben beinahe einen Sinn. Aber er konnte nicht mehr nachdenken, sondern war nur höflich. »Ich glaube, Ihr braucht Schlaf. Ich weiß jedenfalls, dass ich schlafen muss. Ich kann Euch kein Bett anbieten, aber ich kann Euch eine oder zwei saubere Decken geben.«
Er konnte ihre Augen nicht erkennen, aber er fühlte, dass sie ihn immer noch ansah. Beinahe verzweifelt fragte sie: »Findet Ihr hier nichts? Wenn Ihr mich anseht, gibt es keinen Funken? Keine Empfindung einer Verbindung? Kein Widerhall einer verpassten Gelegenheit? Keine Sehnsucht nach einem unbekannten Pfad?«
Er hätte über ihre verdrehten Worte beinahe lachen müssen.
Welche Antwort wollte sie ihm entlocken? »Das Einzige, wonach ich mich sehne, ist ein jungfräuliches Bett«, antwortete er erschöpft.
Früher einmal, in seinem Kloster, hatte er während eines Gewitters in einer Holzhütte Schutz gesucht. Während er den Sturm beobachtete und sich an dem feuchten Türrahmen festhielt, schlug der Blitz in einem Baum ein. Als der Schlag die Eiche spaltete, hatte ihn ein Gefühl der Macht durchströmt und ihn auf die feuchte Erde geworfen. Jetzt empfand er einen ähnlichen Schock. Die Frau zuckte zusammen, als hätte er sie gestoßen. Er sah die weit entfernten Flammen der Scheiterhaufen in ihren Augen tanzen.
»Ein jungfräuliches Bett und eine Frau, die nicht beischläft. Das Bett gehört Euch rechtmäßig, aber die Frau, wenn sie vielleicht auch im Lauf der Zeit zu Euch kommt, wird Euch niemals ganz gehören. Trotzdem ist das Kind Eures, denn es gehört nicht dem, der es macht, sondern dem, der es annimmt.«
Die Bedeutungen umtanzten ihn wie der prasselnde Regen.
Einige Hagelkörner mischten sich darunter und prallten vom Deck der Viviace und von Wintrows Schultern ab. »Ihr sprecht von Ettas Kind, nicht wahr?«
»Tue ich das?« Sie neigte den Kopf. »Das wisst Ihr besser. Mir fallen zwar die Worte ein, aber ihre Bedeutung gehört jemand anderem. Aber hört nur, wie Ihr es nennt. Ihr sprecht von Ettas Kind, während alle anderen es Kennits Kind nennen.«
Ihre Worte wanden sich um ihn wie ein Netz. »Warum
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