Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
sollte ich es nicht als ihr Kind bezeichnen? Es braucht zwei, um ein Kind zu machen. Sein Wert liegt nicht allein darin, dass Kennit es gezeugt hat. Wenn sie das Kind so nennen, setzen sie Etta herab. Ich sage Euch das, Fremde. Sie ist in vielerlei Hinsicht eher befähigt, die Mutter eines Königs zu sein, als Kennit es war, der Vater von einem zu sein.«
»Ihr solltet nahe bei ihm bleiben, denn Ihr seid einer der wenigen, die das wissen.«
»Wer seid Ihr? Was seid Ihr?«, wollte er wissen.
Der Regen wurde plötzlich zu einem Wolkenbruch, der alle Worte übertönte, und auch die Hagelkörner wurden größer.
»Hinein!«, schrie Wintrow und lief voraus. Er hielt ihr die Tür auf und wartete darauf, dass sie hinterherkam. Aber die Gestalt in dem Umhang, die vor dem Regenguss flüchtete, war nicht Amber, sondern Etta. Er blickte an ihr vorbei, doch da war niemand mehr.
Etta schob ihre Kapuze zurück. Ihr dunkles Haar klebte ihr am Kopf, und ihre Augen wirkten riesengroß. Sie rang nach Luft. Ihre Stimme kam aus ihrem tiefsten Inneren. »Wintrow, ich muss dir etwas sagen.« Sie atmete noch einmal tief durch, und ihre Beherrschung schien plötzlich zu zerbröckeln. Tränen rannen über ihr regennasses Gesicht. »Ich will das Kind nicht allein großziehen.«
Er nahm sie nicht in die Arme, dafür kannte er sie zu gut.
Aber die Worte kamen ihm leicht über die Lippen. »Ich verspreche dir, dass du das auch nicht musst.«
Er griff sie in der Dunkelheit an, und sein Gewicht presste sie nieder. Die Furcht lähmte sie. Althea rang nach Luft, und versuchte zu schreien. Aber sie konnte nicht. Sie schlug um sich, versuchte ihm zu entkommen, stieß sich aber nur den Kopf an der Wand. Es gab keine Luft. Sie konnte nicht gegen ihn kämpfen. Mit erheblichem Aufwand befreite sie einen Arm und schlug zu.
»Althea!«
Sein wütender Schrei weckte sie. Das Grau des Morgens drang durch das zerbrochene Fenster herein. Brashen setzte sich auf und hielt sich das Gesicht. Althea schaffte es endlich, Luft zu holen. Sie schlang die Arme um sich und versuchte, ihr Zittern zu unterdrücken. »Was? Warum weckst du mich?«, wollte sie wissen. Sie tastete nach ihrem Traum, fand aber nur die zerrissenen Ränder ihres Entsetzens.
»Warum ich dich wecke?«, fragte Brashen ungläubig. »Du hast mir fast den Kiefer gebrochen.«
Sie schluckte. »Es tut mir Leid. Ich hatte einen Albtraum.«
»Das kann ich mir denken«, stimmte er sarkastisch zu. Er sah sie an. Althea hasste es, wie sein Blick weicher wurde. Sein Mitleid wollte sie nicht. »Geht es dir jetzt besser?«, fragte er freundlich. »Was auch immer es gewesen ist, es muss ziemlich schlimm gewesen sein.«
»Es war nur ein Traum, Brashen.« Sie schob seine Bedenken einfach beiseite.
Er sah weg und verbarg seine Gefühle. »Na ja, es ist wohl Morgen oder jedenfalls beinahe. Ich kann mich auch anziehen.« Seine Stimme war tonlos.
Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Es ist ein neuer Tag. Es kann nur besser werden als gestern.« Sie setzte sich auf und streckte sich. Jeder Muskel schmerzte, ihr Kopf hämmerte, und ihr war schlecht. »Ich bin immer noch müde. Aber ich freue mich darauf, unterwegs zu sein.« Das wenigstens stimmte.
»Gut für dich«, knurrte Brashen. Er wandte ihr den Rücken zu, ging zu seiner Kleiderkiste und fing an, sie zu durchwühlen. Sie würde heute auf ihr Schiff zurückgehen.
Kein Wunder, dass sie sich schon freute. Er freute sich für sie.
Das tat er wirklich. Er konnte sich daran erinnern, wie es war, das Kommando zu übernehmen. Er fand ein Hemd und zog es sich über den Kopf. Sie würde ihre Sache gut machen. Er war stolz auf sie. Sie war auch glücklich für ihn gewesen, als er den Paragon übernommen hatte. Und jetzt war er glücklich für sie.
Ehrlich. Er drehte sich wieder zu ihr um. Sie hockte auf dem Boden neben ihrem Seesack und hatte ihre Kleidungsstücke ausgebreitet. Der Blick, den sie ihm zuwarf, sprach von ihrem Elend. Sie wirkte so erschöpft. Brashen fühlte Gewissensbisse.
»Es tut mir Leid, dass ich so barsch bin«, sagte er mürrisch.
»Ich bin einfach nur sehr müde.«
»Das sind wir beide. Du musst dich nicht entschuldigen.« Dann lächelte sie. »Du könntest wieder ins Bett gehen. Es gibt keinen Grund, warum wir beide so früh aufstehen sollten.«
Sollte er sich jetzt besser fühlen? Weil sie bereit war, einfach wegzugehen, während er in seiner Koje schlief? Das erinnerte ihn zu sehr an die grobe Art, wie sie sich in Candletown
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