Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
dass es weder eine Plünderung noch eine überstürzte Ausbeutung der Schätze gab. Und Malta würde an seiner Seite sein. Alles würde gut werden. Alle Wunden würden heilen.
Irgendwie brachte er es nicht fertig, darauf zu vertrauen. Die kurze Wahrnehmung von Malta, die er durch Tintaglia erfahren hatte, wirkte auf ihn wie das Aroma von heißer Nahrung auf einen Verhungernden. Die bloße Möglichkeit, dass Malta am Leben war, genügte nicht, um seine Sehnsucht zu stillen.
Als er unter sich in dem Gebäude ein Geräusch hörte, blickte er hinab. Er hatte erwartet, einen streunenden Hund oder eine Katze zu sehen. Doch es war Selden, der sich durch die Trümmer vorarbeitete. »Mach, dass du hier rauskommst!«, rief er dem Jungen ärgerlich zu. »Siehst du nicht, dass dir das ganze Dach auf den Kopf fallen kann?«
»Wahrscheinlich sitzt du aus diesem Grund lieber oben drauf«, erwiderte Selden sichtlich unbeeindruckt.
»Ich brauchte einen Platz, von dem aus ich den Hafen überblicken und auf Tintaglias Rückkehr warten konnte. Jetzt komme ich runter.«
»Gut. Tintaglia putzt sich gerade und ruht etwas, aber sie wird bald zurückkehren und ihr Zeichen unter den Vertrag setzen, den das Konzil ausgearbeitet hat.« Er holte tief Luft.
»Sie will, dass der Kendry sofort mit Vorräten und Ingenieuren beladen und den Fluss hinauf geschickt wird, damit die Arbeiten beginnen können.«
»Vorräte? Woher sollen wir die nehmen?«, fragte Reyn sarkastisch.
»Das kümmert sie nicht sonderlich. Ich habe vorgeschlagen, damit zu beginnen, dass der Kendry Arbeiter hinaufbringt und in Trehaug eine Zwischenstation einlegt. Dort könnte man Leute aufnehmen, die sich auf dem Fluss auskennen. Dann würde man zu der Stelle segeln, die Tintaglia ausgehoben haben will. Man muss erst einmal sehen, was getan werden muss, bevor man planen kann, wie es bewerkstelligt werden soll.«
Reyn fragte ihn nicht, woher er so viel wusste. Stattdessen stand er auf und tastete sich vorsichtig über die Dachbalken zu Selden hinunter. Die Wintersonne ließ die Schuppen auf Stirn und Wangen des Jungen silbrig schillern. »Sie hat dich geschickt, um mich zu holen, hab ich Recht?« Reyn sprang das letzte Stück hinab. »Um sicherzugehen, dass ich dabei bin?«
»Wenn sie dich dabeihaben wollte, hätte sie dir das zweifellos selbst mitgeteilt. Nein. Ich bin von mir aus gekommen, um dafür zu sorgen, dass du dabei bist. Denn nur so kannst du sie an ihr Versprechen erinnern. Wenn man es ihr überließe, würde sie sich zuerst um die Schlangen und die mögliche Rettung anderer eingeschlossener Drachen kümmern. Wenn es nach ihr geht, verstreichen Monate statt Tage, bevor sie sich auf die Suche nach Malta macht.«
»Monate!« Reyn wurde wütend. »Wir sollten eigentlich noch heute abfliegen!« Die Gewissheit, dass es noch Tage dauern würde, bereitete ihm Übelkeit. Allein die Unterzeichnung des Vertrages würde vermutlich einen ganzen Tag benötigen. Dann die Auswahl der Leute, die flussaufwärts segeln sollten, und die Ausstattung des Kendry mit Vorräten. »Nach allem, was Malta getan hat, um sie zu befreien, sollte man eigentlich annehmen, dass sie wenigstens ein kleines bisschen Dankbarkeit empfindet.«
Der Junge runzelte die Stirn. »Es ist nicht so, dass sie Malta nicht mag. Oder dich. So denkt sie einfach nicht. Drachen und Schlangen sind ihr so enorm viel wichtiger als Menschen. Wenn man sie auffordern würde, zwischen der Rettung ihrer eigenen Art und Maltas zu wählen, wäre das so, als ob man dich bitten würde, zwischen Malta und einer Taube zu wählen.«
Selden dachte kurz nach. »Für Tintaglia sind die meisten Menschen ziemlich gleich, und unsere Kümmernisse sind für sie höchst triviale Angelegenheiten. Es liegt an uns, ihr diese Dinge bedeutsam zu machen. Sollte sie mit ihren Plänen Erfolg haben, werden noch andere Drachen unsere Welt mit uns teilen. Nur sehen sie es so, dass wir ihre Welt mit ihnen teilen. Mein Großvater hat immer gesagt: ›Handle mit einem Mann von Anfang an so, wie du vorhast, auch in Zukunft mit ihm zu verhandeln.‹ Ich glaube, dasselbe gilt für die Drachen. Wir müssen ihr jetzt klarmachen, was wir von ihr und ihrer Art erwarten.«
»Aber einige Tage zu warten, bis wir in See stechen…«
»Es ist besser, einige Tage zu verlieren, als vielleicht ewig warten zu müssen«, unterbrach Selden ihn nachdrücklich. »Wir wissen, dass Malta lebt. Fühlte es sich an, als wäre ihr Leben bedroht?«
Reyn seufzte. »Das
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