Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
hinunter.
»Also, wohin willst du dich wenden?«
»Wohin ich will? Dorthin, wo Malta ist, selbstverständlich.«
»Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich spüre, dass sie lebt. Das bedeutet nicht, dass ich weiß, wo sie ist.«
Verzweiflung spülte über Reyn hinweg. Die Drachenkönigin bekam plötzlich Mitleid mit ihm. »Sieh zu, was du tun kannst«, schlug sie vor. Durch sie spürte er erneut ihre Wahrnehmung von Malta. Er schloss die Augen und ließ sich in dieses Gefühl hineingleiten, das weder Gehör noch Sicht noch Duft war, sondern nur ein geisterhafter Schatten von allen drei Dingen.
Er öffnete den Mund und atmete tief, als könnte er ihren Duft in der kalten Luft wahrnehmen. Etwas von ihm strömte heraus, zu ihr hin, dessen war er sicher.
Sie trafen sich in einer warmen, schläfrigen Mattigkeit. Er nahm die Wahrnehmungen ihrer Welt auf, wie damals, als sie gemeinsam die Traumdose geteilt hatten. Wärme. Ein langsames Schaukeln. Er atmete mit ihr und schmeckte den unverwechselbaren Geruch eines Schiffes. Er löste das Gefühl für seinen eigenen Körper und griff kühner nach ihr. Er fühlte das warme Bettzeug um sie herum, spürte ihre gleichmäßigen Atemzüge und passte sich ihnen an. Sie schlief mit der Hand unter der Wange. Er wurde diese Hand, umfasste ihre warme, weiche Wange. Er liebkoste sie. Sie lächelte im Schlaf.
»Reyn«, sagte sie, ohne seine Gegenwart bewusst zu bemerken.
»Malta, meine Liebe«, erwiderte er zärtlich. »Wo bist du?«
»Im Bett.« Sie seufzte. Ihre Stimme klang warm und interessiert.
»Wo?« Er blieb standhaft und ignorierte ihre Einladung. »Auf einem Schiff. Einem chalcedeanischen Schiff.«
»Wohin segelst du?«, fragte er sie verzweifelt. Er spürte, wie sein Kontakt zu ihr schwand, als seine drängenden Fragen mit ihrem Traum zusammenprallten. Er klammerte sich an sie, aber ihr Verstand zog sich aus dem Traum zurück, gestört von seinem hartnäckigen Beharren auf eine Antwort. »Wohin?«, wollte er wissen. »Wohin?«
»Nach Jamaillia!« Malta saß kerzengerade im Bett. »Nach Jamaillia!«, wiederholte sie, wusste aber nicht, warum sie diese Worte sagte. Sie wurde von dem Gefühl gequält, dass sie gerade aus einem sehr interessanten Traum gerissen worden war, konnte sich jedoch nicht einmal mehr an einen winzigen Fetzen erinnern. Eigentlich war es beinahe eine Erleichterung.
Am Tag konnte sie ihre Gedanken kontrollieren. Doch des Nachts brachte ihr verräterischer Verstand ihr Träume von Reyn, schmerzhaft und bittersüß. Es war besser, aufzuwachen und sich an nichts zu erinnern, als die Augen aufzuschlagen und Tränen auf dem Gesicht zu spüren. Sie hob die Hand und berührte ihre Wangen. Eine kribbelte merkwürdig. Sie reckte sich. An Schlaf war nicht mehr zu denken, sie war hellwach.
Malta warf die Decken zurück, stand auf und gähnte.
Mittlerweile hatte sie sich an die Pracht der Kajüte gewöhnt.
Was allerdings ihr Vergnügen daran nicht dämpfen konnte. Der Kapitän hatte ihr zwei Matrosen als Träger und die Erlaubnis gegeben, sich in den Laderäumen mit allem einzudecken, was für die Bequemlichkeit des Satrapen nützlich war. Malta hatte alle Bescheidenheit abgelegt. Ein dicker Teppich aus weicher Wolle auf dem Boden und bunte Gobelins an den Wänden wärmten den Raum. Kerzenleuchter hatten die qualmende Laterne ersetzt. Gestapelte Decken und Felle bildeten ihr Lager. Das Bett des Satrapen war mit dicken Bären-und Schaffellen ausgestattet. Eine verzierte Wasserpfeife stand daneben, und eine Damastdecke darum herum schützte ihn vor Zugluft.
Hinter diesem Vorhang schnarchte er friedlich. Gut. Also hatte sie Zeit genug, sich anzuziehen, bevor er aufwachte.
Ruhig ging sie durch das Zimmer zu einer großen Truhe, öffnete sie und wühlte sich durch die Kleiderstapel. Mit den Händen strich sie über Stoffe in allen Farben und Formen. Sie entschied sich für etwas Warmes, Weiches, Blaues und zog es heraus. Dann hielt sie sich das Kleid an den Körper. Es war zu groß, aber sie konnte es ändern. Sie warf einen unbehaglichen Seitenblick zu den Bettvorhängen des Satrapen und zog sich die blaue Robe über den Kopf. Dann streifte sie darunter ihr Nachthemd ab und schob ihre Arme durch die langen blauen Ärmel. Das Kleid duftete noch schwach nach dem Parfüm der vorigen Besitzerin. Malta wollte lieber nicht darüber nachdenken, wie diese Truhe mit den schönen Gewändern in die Hände der Chalcedeaner gelangt war. Auch wenn sie in Lumpen ging,
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