Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
hatte. Es bestand immerhin die winzige Chance, dass sie sich an dem gekenterten Boot festgehalten hatten und noch lebten. Er würde sie finden. Er musste sie einfach finden!
Kennit beobachtete die herannahenden Seeschlangen, die ihre Köpfe über das Wasser hoben und ihre Mäuler weit aufgerissen hatten, und versuchte, gelassen zu bleiben. Die Schreie von Paragon , die schwach zu ihm herüberdrangen, zerrten an seinen Nerven und seiner Seele, weckten Erinnerungen an eine dunkle, rauchige Nacht vor langer Zeit. Er schob sie beiseite.
»Warum kehren sie zurück? Sie haben ihn nicht getötet.« Er holte bebend Luft. »Ich dachte, sie könnten das schnell erledigen. Ich hätte gern ein schnelles Ende gehabt.«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte Blitz gereizt. Sie warf den Kopf zurück und trompetete den herannahenden Seeschlangen etwas zu. Einige von ihnen antworteten, und einen Moment herrschte eine verwirrende Kakophonie von Geräuschen.
»Ich glaube, du wirst deine Albträume allein versenken müssen«, informierte das Amulett ihn ruhig. »Sieh! Paragon kommt zu dir.«
Kennit sah plötzlich überdeutlich, wie das Schiff sich mühsam im Wind herumschwang und dann auf ihn zusegelte.
Also doch! Es würde also doch einen Kampf geben! Vielleicht war es besser so. Wenn er vorbei war, würde Kennit erneut über die Decks des Paragon schreiten. Dann würde es einen letzten Abschied geben, eine Art letztes Lebewohl. »Jola!« Es freute ihn, dass seine Stimme klar und kräftig klang, obwohl er innerlich zitterte. »Die Seeschlangen haben ihre Aufgabe erfüllt und unseren Feind geschwächt und demoralisiert. Bereite die Männer auf den Kampf vor. Ich werde die Entermannschaft selbst anführen.«
Brashen hätte bemerken sollen, dass die Seeschlangen trotz allen Brüllens und Peitschens die Viviace nicht angriffen. Er hätte sehen müssen, wie ordentlich sich die Piraten an der Reling aufbauten, als der Paragon näher kam. Er hätte Kennits Schiff nicht aus den Augen lassen dürfen, statt das Wasser nach Althea abzusuchen. Er hätte wissen müssen, dass die weiße Fahne für den König der Piraten nichts weiter war als ein weißer Lumpen…
Der erste Enterhaken fiel auf das Deck, als Brashen sich noch außerhalb der Reichweite solcher Geräte wähnte. Noch während er wütend befahl, ihn wegzuschaffen, trat eine Reihe von Bogenschützen an die Reling von Kennits Schiff. Pfeile zischten, und Brashens Männer gingen zu Boden. Matrosen, die dem Gift der Schlangen entkommen waren, starben urplötzlich, während Brashen entsetzt von seiner eigenen Unfähigkeit zurückzuckte. Noch mehr Enterhaken folgten dem ersten, und die Schiffe wurden dichter zusammengezogen.
Dann schwang sich eine Welle von Enterern aus der Takelage ihres Schiffes in die des seinen. Plötzlich waren überall Piraten, strömten in einer unaufhörlichen Welle über die Reling und auf seine Decks. Die Verteidiger wurden zurückgeworfen. Rasch lösten sich ihre Reihe auf, und es bildeten sich kleine Gruppen von Männern, die sich verzweifelt zur Wehr setzten.
Paragon brüllte und fuchtelte mit dem Stock herum, traf aber nur ins Leere. Von dem Moment an, als der erste Haken geworfen worden war, war jeder Gedanke an einen Sieg in weite Ferne gerückt. Paragons Deck saugte sich mit dem Blut der Sterbenden voll, und das Schiff schrie laut auf. Schlimmer war jedoch das Geräusch, das wie das Pfeifen des Windes an Brashens Ohren drang. Es war die Stimme von Viviace , die sowohl in menschlichen als auch in fremdartigen Worten die Piraten immer weiter antrieb. Er war beinahe froh, dass Althea gestorben war, bevor sie hören konnte, wie ihr eigenes Schiff sich gegen sie stellte.
Seine Mannschaft kämpfte tapfer, aber vergeblich. Sie waren zahlenmäßig unterlegen, unerfahren, und einige waren bereits verletzt gewesen. Clef hielt sich dicht an Brashens Seite und schwang während des erbärmlich kurzen Kampfes ein Entermesser in seiner gesunden Hand. Als die Piraten sie einkreisten, streckte Brashen einen Mann nieder, dann noch einen, und Clef erledigte einen dritten, indem er ihm die Kniesehnen durchschnitt. Aber für seine Tapferkeit erhielt er einen schlimmen Hieb auf die Brust. Die Piraten traten einfach über die Leichen ihrer toten Kameraden hinweg, die Schwerter zum Kampf erhoben. Brashen griff mit der freien Hand nach dem Jungen und zerrte ihn hinter sich her. Zusammen wichen sie durch das Chaos zurück, kämpften nur, um sich ihrer Haut zu erwehren, und
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