Zaubersommer in Friday Harbor
auf: Sehnsucht, vermischt mit einem Anflug von Panik.
Wenn sie ihn verließ, wurde ihr bewusst, konnte sie nie mehr hierher
zurückkommen. Es täte viel zu sehr weh, ihn mit anderen Frauen zu sehen und
mitzuerleben, wie sich ihre Wege immer weiter trennten ... und sich an den
Sommer zu erinnern, in dem sie ein Liebespaar gewesen waren.
Sie waren
so nah daran, eine seltene und wunderbare Beziehung einzugehen, die weit über
das Körperliche hinausging. Aber letztlich waren all ihre inneren Schutzwälle
unüberwindbar geblieben. Noch immer waren sie getrennt, hatten nie die allumfassende
Intimität gefunden, nach der Lucy sich sehnte. Und doch waren sie einander
womöglich so nah, wie sie einander nur kommen konnten.
Es ist
besser, so etwas nicht kennenzulernen, hatte ihr Vater gesagt, und sie begann zu begreifen,
was er damit gemeint hatte.
„Was ist
los?”, flüsterte Sam.
Sie ließ
ein Lächeln aufblitzen. „Nichts.”
Aber Sam
ließ sich nicht täuschen. „Worüber machst du dir Sorgen?”
„Mein ...
mein Bein tut mir ein bisschen weh”, log sie.
Er zog sie
fester an sich. „Komm, wir setzen uns eine Weile irgendwohin”, sagte er
und führte sie von der Tanzfläche.
Am
nächsten Morgen
wachte Lucy später auf als sonst. Strahlendes Sonnenlicht fiel ins
Schlafzimmer ihrer Wohnung. Sie streckte sich genüsslich, gähnte, drehte sich
auf die andere Seite und blinzelte überrascht: Sam lag schlafend neben ihr.
Als sie in
ihren Erinnerungen kramte, fiel ihr ein, dass Sam sie nach Hause gebracht
hatte. Sie war ziemlich angeheitert gewesen. Offenbar hatte sie ein Glas
Champagner zu viel getrunken. Er hatte sie ausgezogen und ins Bett gebracht
und leise in sich hineingelacht, als sie ihn zu verführen versuchte.
„Es ist
schon spät, Lucy. Du musst schlafen.”
„Du willst
mich”, gurrte sie. „Ganz sicher. Ich sehe das doch.” Sie öffnete ihm
die Seidenkrawatte und zog ihn daran zu sich herab. Nach einem langen Kuss
gelang es ihr, die Krawatte ganz zu lösen, und sie reichte sie ihm
triumphierend. „Tu was Verruchtes”, sagte sie. „Fessele mich damit. Ich
fordere dich heraus.” Sie hob ihr gesundes Bein und schlang es um seine
Hüfte. „Es sei denn, du bist zu müde.”
„Bevor ich
für so etwas zu müde bin, bin ich tot”, erklärte Sam – und hielt sie bis
tief in die Nacht wach.
Offenbar
hatte ihn nach dem Kraftakt der Schlaf übermannt und Sams Regel, niemals über Nacht
bei einer Frau zu bleiben, außer Kraft gesetzt.
Lucy ließ
ihren Blick über seine langen kräftigen Glieder streifen, über seinen glatten
Rücken und die Schultern, die verlockend zerzausten Haare. Im Schlaf wirkte
sein Gesicht jünger. Seine Lippen waren entspannt, und seine Lider flatterten
kaum merklich im Traum. Sie sah, wie sich eine Falte zwischen seinen Brauen
bildete, und konnte nicht anders: Sanft strich sie mit einer Fingerspitze
darüber, um sie zu glätten.
Sam
erwachte mit einem leisen Laut, desorientiert und verschlafen. „Lucy”,
sagte er, die Stimme noch belegt, und griff reflexhaft nach ihr, um sie in
seine Arme zu ziehen. Sie kuschelte sich an ihn, schnupperte an den krausen
Haaren auf seiner Brust.
Aber im
nächsten Augenblick spürte sie, wie er aufschreckte.
„Was ... wo
...” Sein Kopf schnellte hoch, und ihm stockte der Atem, als er erkannte,
wo er war. „Großer Gott”, murmelte er und sprang aus dem Bett, als stünde
es in Flammen.
„Was ist
los?”, fragte Lucy, erschrocken über seine Reaktion. Sam starrte sie mit
einem Ausdruck des Entsetzens an, den sie alles andere als schmeichelhaft fand.
„Ich bin letzte Nacht nicht nach
Hause gefahren. Ich habe hier geschlafen.”
„Es ist
alles in Ordnung. Renfield ist in der Hundepension. Holly ist bei Mark und
Maggie. Du brauchst dir um nichts Sorgen zu machen.”
Aber Sam
war bereits dabei, seine überall verstreute Kleidung zusammenzuraffen. „Warum
hast du mich einschlafen lassen?”
„Ich bin
selbst eingeschlafen”, verteidigte Lucy sich. „Aber ich hätte dich sowieso
nicht geweckt. Du warst erschöpft, und mir macht es nichts aus, mein Bett mit
dir zu teilen, also ...”
„Aber mir macht es etwas aus”, stieß Sam mit Nachdruck hervor. „Ich tue so
etwas nicht. Ich bleibe nicht bis zum Morgen.”
„Was bist
du? Ein Vampir? Da ist doch nichts dabei, Sam. Es hat nichts zu bedeuten.”
Aber er
hörte ihr gar nicht zu, nahm seine Kleidung mit ins Bad, und eine Minute später
hörte sie das Wasser in der Dusche
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