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Zebraland

Zebraland

Titel: Zebraland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Roeder
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…«, mischte Anouk sich ein, die bisher nur zugehört hatte. »Willst du denn gar nicht wissen, was in dem Buch drinsteht?«
    »Ehrlich gesag t – nein!«, antwortete Philipp harsch. »Das Buch ist ein Beweisstück gegen uns. Es gefährdet uns alle. Deshalb muss es vernichtet werden.«
    Es war schwer, ihm zu widersprechen, wenn er so redete. Von seinen Augen und seiner Stimme ging eine wahnsinnige Autorität aus.
    »Benutzt doch mal euren gesunden Menschenverstand!«, legte er nach. »Dann werdet ihr ja wohl einsehen, dass ich Recht habe!«
    Ja, ich wusste, dass es hirnrissig gewesen war, das Tagebuch zu behalten, doch ich konnte es Philipp nicht überlassen. Es war mein Rettungsanker geworden. Das Einzige, was mir in diesem Chaos noch Halt gab.
    Trotzig verschränkte ich die Arme vor dem Buch, drückte es an meine Brust. »Es gehört dir nicht!«
    »Aber dir, oder was? Hör endlich auf mit dieser Freakshow!« Fordernd streckte Philipp die Hand aus. »Los, gib es mir!«
    »Nein«, sagte ich leise, aber bestimmt. »Wenn du es willst, musst du es dir schon mit Gewalt holen!«
    Philipp war mehr als einen Kopf größer als ich, aber er sah aus wie einer, der sich eher auf seinen Verstand verließ, nicht auf seine Kraft. Ich war mir sicher, dass er sich noch nicht oft geschlagen hatte, und wenn, hatte er bestimmt nicht gewonnen.
    Ich ballte die Fäuste. Notfalls würde ich mit Philipp fertig werden.
    Doch Philipp schien der Mut zu verlassen. Vielleicht hatte er auch Skrupel, sich vor Anouks Augen mit mir zu prügeln.
    »Verzieh dich, du verrückter Sp-pinner!«, zischte er nur und spuckte vor mir aus.

Judith
    Ich suche in meiner Jeanstasche nach einem Stift. Neben dem Kuli finde ich auch die Liste, die Phil und ich neulich am Baggersee aufgestellt haben. Während ich auf meine Interviewpartner warte, überfliege ich sie noch einmal:
    Was wir an Ziggy sonderbar finden
    1.) Dass er das Tagebuch aufbewahrt hat.
    2.) Dass er so wenig redet.
    3.) Seinen Reggae-Fimmel.
    4.) Seinen Cousin, der noch sonderbarer ist als er selbst.
    5.) Wir wissen, dass Ziggy stundenlang vor dem Zebragehege im Streichelzoo sitzt.
    Ich falte die Liste sorgfältig und lasse sie wieder in der Tasche verschwinden.
    Langsam wird es Zeit, mich auf die beiden Interviews zu konzentrieren, die ich noch führen muss. Ich habe schon einige Leute über Yasmin befragt. Die meisten Antworten waren nichtssagend. Über die Toten wird nur Gutes geredet, auch wenn man sie zu Lebzeiten gar nicht richtig kannte oder mochte.
    Geschwätz.
    Es klopft an der Tür. Auf mein »Herein!« tritt ein Mädchen ein. Es ist ziemlich hübsch, seine dunklen Augen haben das starke Make-up gar nicht nötig.
    »Hallo. Du bist Nihal, oder?«, begrüße ich sie und gebe ihr die Hand.
    »Ja. Yasmins beste Freundin«, antwortet sie und streicht sich das Haar aus dem Gesicht, sodass ihre großen türkisfarbenen Plastikohrringe besser zur Geltung kommen.
    Nihal setzt sich auf einen Stuhl mir gegenüber und schlägt die Beine übereinander. »Also, was willst du wissen?«, fragt sie im Tonfall einer Expertin.
    »Wie lang warst du mit Yasmin befreundet?«
    »Seit der Grundschule«, antwortet sie knapp.
    »Äh, was für eine Eigenschaft hat Yasmin deiner Meinung nach besonders ausgezeichnet?«
    »Sie war eine unheimlich gute Zuhörerin.«
    Schätze, ich muss ihr jedes Wort aus der Nase ziehen.
    »Erinnerst du dich noch an ein besonderes Erlebnis, das ihr gemeinsam hattet?«
    »Kla r …« Nihal lächelt und taut ein wenig auf. »Das war, nachdem Yasmin ihr Moped bekommen hatte. Sie hat ihre Eltern ewig bearbeitet, bis sie es ihr erlaubt haben. Yasmin wollte endlich unabhängig von Kerim sein. Immer war sie drauf angewiesen, dass er sie rumkutschiert. Der war übrigens total dagegen, meinte, es sei zu gefährlic h …« Sie seufzt. »Aber Yasmin hat sich durchgesetzt, wie immer. Sie war völlig aus dem Häuschen, als sie mir dieses schrottige rote Moped vorführte, und bestand darauf, dass wir eine Probefahrt durch den Ort machten. Ich saß hinten und hab mich an ihr festgeklammert. Der Wind ist uns um die Nase gebraust. Wir haben uns so frei gefühlt.«
    »Was würdest du Yasmin sagen wollen, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?«
    Nihal betrachtet ausgiebig ihre Fingernägel. Als sie den Kopf hebt, rinnt ihr eine Träne die Wange runter und zieht einen feuchten Streifen durch die Schminke. »Dass ich sie vermisse.«
    Wir schweigen. Was gibt es darauf auch zu sagen.
    In diesem Moment

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