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Zebulon

Zebulon

Titel: Zebulon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolph Wurlitzer
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sich Seuchen ausbreiten. Das sind die Vorschriften.«
    Er schlief Tage und Nächte hindurch in einer Lache von Nachtschweiß und wachte nur auf, um seine Notdurft zu verrichten. Undeutlich nahm er wahr, dass man ihm gewaltsam verschiedene übel schmeckende Medikamente und darauf Wasser und ein dünnes Süppchen verabreichte. Wenn jemand versuchte, ihm Delilahs goldene Rubin-Kette vom Hals zu reißen, griff er automatisch nach dem Messer, das er am Gürtel trug, und schnitt dem Dieb die Hand ab. Das trug ihm Bravorufe von mehreren Patienten ein, von denen sich viele in ihrem Delirium gegen Piraten und mexikanische Revolutionäre wehren mussten, ganz zu schweigen von dem Arzt und der Schwester.
    Wenn es ausnahmsweise nicht regnete, wurde er angehalten, die Nachmittage auf dem Oberdeck zu verbringen, wo er auf einer Strohmatte in der Sonne liegen konnte. Eines Abends, als die Sonne über dem Hafen unterging, sah er ein Schiff, das aufs offene Meer hinausfuhr.
    Es war die
Rhinelander
.
    Noch ein Monat verging, bevor er die Erlaubnis erhielt, an Land zu gehen, nachdem der Arzt seine Erkrankung schließlich als »wahnhaft« diagnostiziert hatte.
    Einige Tage später ging er an Bord eines portugiesischen Walfängers, der in die Beringstraße unterwegs war und in Mazatlán wegen Ausbesserungsarbeiten eine längere Pause einlegen wollte, bevor er nach Monterey und San Francisco in See ging.

A LS DER W ALFäNGER SECHS W OCHEN später in die Bucht von San Francisco einlief, stand die halbe Stadt in Flammen, und schwarze Rußwolken hingen wie Leichentücher über dem Wasser. Durch die Flammen sah Zebulon die rauchige Silhouette der Küste und der Hügel um die Stadt, wo sich Tausende von Zelten und mit Segeltuch bedeckten Hütten um Gebäude aus Eisenteilen scharten, die aus den östlichen Staaten herbeigeschafft worden waren. Der Kapitän und die portugiesische Besatzung fürchteten sich, an Land zu gehen, weil sie dachten, die gesamte Westküste werde von einer biblischen Feuersbrunst heimgesucht, einer Katastrophe, zweifellos verursacht von dem gottlosen Abschaum der Menschheit, der seine Familien, seine Traditionen und seine Religionen im Stich gelassen hatte, um auf die Goldfelder zu strömen. Das Schiff lag sechs Tage in der Bucht auf Reede, bis ein Unwetter die letzten Brandnester löschte. Schließlich – die Ängste waren nicht überwunden, doch vorübergehend verdrängt – segelte das Schiff eine lange Reihe von Kais entlang und passierte dabei Hunderte verlassener Schiffe.
    Zebulon ging von Bord und bahnte sich seinen Weg durch eine brodelnde Menge von Händlern, die aus vollem Hals Vorräte, Huren, Arbeit, Absteigen, Guckkästen und gute Geschäfte anpriesen. Da er nun wieder mit beiden Beinen auf festem Boden stand, schwor er sich, nie wieder ein Schiff zu besteigen. Hier war das Gelobte Land. Hier konnte man die Vergangenheit hinter sich lassen, sich von allem losreißen. Er stieß einen Trapper-Ruf aus, was dazu führte, dass ein Pferd durchging und mitsamt seinem Wagen ins Hafenwasser stürzte.
    Delilah, Hatchet Jack, gefangen zwischen den Welten? Egal. Und egal auch, was seine Mutter, sein Vater oder irgendwer sonst gesagt oder gedacht oder getan hatte. Von jetzt an würde jede Hölle, die auf ihn wartete, eine sein, die er sich selbst ausgesucht hatte.
    Er verließ den Kai und drängte sich in den ersten Saloon, den er sah – drei zusammengenähte Armeezelte, gestützt von leeren Kisten und Alteisen. Die Bar bestand aus zwei dicken, sechs Meter langen Brettern, die auf leeren Whiskeyfässern ruhten. Die Gäste standen dicht an dicht: Kanaken aus der Südsee, Hawaiianer, Kubaner, Peruaner, Chinesen, Russen sowie alle Arten von Europäern und Amerikanern. Das einzige Gesprächsthema war Gold: wo es zu finden war, wie man es abbaute, wie man es ausgab.
    Er trank sich durch den Rest des Nachmittags und in den Abend und rührte sich nicht von der Stelle, außer um sich in einen langen Graben vor dem Zelt zu erleichtern. Je mehr Whiskey er trank, desto stärker dachte er an Delilah, so als fühlte sie sich von seiner zunehmenden Heiterkeit eingeladen, sich in ihm breitzumachen, und je mehr er versuchte, sie zu verdrängen, desto eindringlicher machte ihr Geist sich bemerkbar.
    Als er schließlich hinaustorkelte, war es dunkel, und ein leichter Nebel zog über das Wasser und die Hügel. Da er nicht wusste, wohin, und höher gelegenes Gelände vorzog, stieg er einen Hügel hinauf, zu einer Ansammlung von Hütten

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