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Zebulon

Zebulon

Titel: Zebulon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolph Wurlitzer
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ein Auge auszudrücken. Er rappelte sich mühsam auf, fiel aber erneut auf den Rücken, während der Samoaner in Siegerpose die Arme hochriss. Während er auf das Ende wartete, überkam ihn eine unerwartete Ruhe, und dann floss ein Energiestrom durch seine Adern wie Wasser durch ein geöffnetes Schleusentor. Die Kraft schoss sein Rückgrat hinauf und ließ ihn in eiskalter Wut auf die andere Ringseite stürzen, wo er den Samoaner mit einem Trommelfeuer von Schlägen gegen Kopf und Rumpf eindeckte und ihm schließlich einen gemeinen Tritt in die Magengrube versetzte. Während der verblüffte Samoaner in die Knie brach, hieb Zebulon ihm mit beiden Fäusten von oben auf den Kopf. Dann brach er ihm mit dem Unterarm das Jochbein. Der Angriff, so schrieb Stebbins hinterher in einer von San Franciscos Zeitungen, dauerte weniger als eine Minute und war so präzise wie eine Hinrichtung.
    Die Zuschauer brachen in frenetischen Beifall aus: »Ein Hurra auf Admiral Doom!«, schrien sie. »Doom! Doom! Doom!«
    Für seine Bemühungen erhielt Zebulon fünfundzwanzig Dollar und ein sauberes Handtuch, mit dem er sich das Blut abwischen konnte.
    Er drängte sich zu einem Nebenraum durch, in dem es Drinks aus dünnen Gummischläuchen gab: Jeder Gast durfte so viel Schnaps einsaugen, wie er vertrug, bis er außer Puste geriet oder ohnmächtig wurde. Während der Schnaps durch seine Kehle rann, hörte er durch den rauen Lärm hindurch ein Lied, vorgetragen von einer Stimme, die ihm wie das zugespitzte Ende eines Pflocks ins Herz drang:
    Black Town gals are plump and rosy
    Touch them and they’ll sting like hornets
.
    Black Town gals are lovely creatures
    Painted cheeks and sassy bonnets
.
    Delilah stand auf einem hölzernen Podest im hinteren Teil des Raums. Sie trug ein tief ausgeschnittenes rotes Kleid, war stark geschminkt und hielt die Augen halb geschlossen. Die Neulinge in dem Raum hatten noch nie jemanden wie sie gesehen oder eine so eindringliche, melancholische Stimme gehört. Zwei Geiger und ein Akkordeonspieler begleiteten sie:
    Think they’ll marry white man preachers
    Heads thrown back to show their features
.
    Ha, ha, ha, Black Town gals!
    Zebulon bemerkte Stebbins, der allein an einem Tisch saß und sich hin und her wiegte, während sie unter stürmischem Applaus die beiden letzten Zeilen wiederholte.
    Er kniff die Augen zusammen, als Zebulon sich zu ihm setzte.
    »Ich habe gehört, Sie verbreiten Lügen über mich«, sagte Zebulon.
    Stebbins füllte sein Glas und schob es Zebulon hin. »Dafür bin ich da: um die unersättliche Neugier und den Hunger auf Folklore von der Siedlungsgrenze zu befriedigen. Und Sie, mein Freund, zählen zu ihren größten Helden, dank meiner abenteuerlich aufgeblasenen Prosa.«
    Er sah zu Delilah hinüber. »Ein Glück, dass sie mir mehr intime Details über Sie verraten hat, als sich jeder Schreiberling träumen lassen würde. Dass Sie vergessen, vor dem Liebesakt die Stiefel auszuziehen, dass Sie gewalttätig werden, wenn Sie beim Kartenspiel oder beim Billard verlieren, oder dass Sie zwanghaft Lügengeschichten aus Ihrer Vergangenheit zum Besten geben. Durchweg rührende menschliche Schwächen, die einen Artikel ansprechend und interessant machen.«
    Zebulon ging um den Tisch herum und hob Stebbins von seinem Stuhl.
    »Extraausgabe! Extraausgabe!«, rief Stebbins und versuchte sich zu befreien. »Geistesgestörter Trapper wird zum Berserker! Tötet Reporter wegen Artikel über sein Vorleben als Gesetzloser! Alles über seine anrüchige Liebesaffäre mit einer abessinischen Kurtisane und einem russischen Grafen!«
    Zebulon ließ ihn auf seinen Stuhl fallen und setzte sich, als Delilah ein neues Lied anstimmte:
    Oh, what was your name in the States:
    Was it Zebulon or Ivan or Stebbins or Bates?
    Did you flee for your life, or murder your wife?
    Say, what was your name in the States?
    I’d comrades then who loved me well
,
    A jovial, saucy crew;
    A few hard cases, I’ll admit
,
    Though they were brave and true
.
    Whatever the pinch, they’d never flinch
,
    Would never fret or whine –
    Like good old bricks they stood the kicks
    In the days of ’49
.
    »Ein gut gemeinter Rat«, sagte Stebbins und schenkte ein. »Verwenden Sie ein Pseudonym. Vor allem in San Francisco. Aber nicht Admiral Doom. Admiral Tod hat mehr Biss. Denken Sie drüber nach. Schließlich kennen sie den hier, den Tod. Den Tod und das Gold. Aber Doom, Verdammung, nein. Das ist das Letzte, wovon sie was hören

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