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Zebulon

Zebulon

Titel: Zebulon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolph Wurlitzer
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und Zelten, die aus Segeltuch, Kartoffelsäcken, alten Hemden und allem möglichen anderen zusammengeschustert warten. Als aus dem Nebel Regen und schließlich ein Wolkenbruch wurde, kroch er in eine der Hütten. Drinnen saßen zwei Männer in roten langen Unterhosen an einem behelfsmäßigen, aus Fässern gebastelten Ofen und spielten Poker auf einer Holzkiste. Der Kopf des Älteren war glatt und glänzte wie eine Pistolenkugel. Als er zu Zebulon aufsah, tanzte die Tätowierung eines Pottwals über seinen Adamsapfel.
    »Von weit her, Kumpel?«, fragte der Mann.
    Zebulon sank an dem Ofen nieder. »Weit genug, um es besser zu wissen.«
    »Das kannst du laut sagen«, sagte der jüngere Mann. Er war klapperdürr, und ein langer, buschiger Schnauzer hing ihm über das schlaffe Kinn.
    »Wir können von Glück sagen, dass wir einen Unterschlupf haben«, sagte der Ältere. »Das Ding hier haben wir vor zwei Tagen im strömenden Regen zusammengebaut. Ich und mein Sohn wollen hier bleiben, bis wir genug Geld für einen Claim beisammen haben. Und dann, halleluja, nichts wie ab auf die Goldfelder.«
    »Ich zahle für die Nacht«, bot Zebulon an.
    Der jüngere Mann sah seinen Vater an, als würde er auf ein Zeichen von ihm warten. Als sein Vater nickte, warf er seine Karten auf die Kiste. Die einzige Karte mit dem Bild nach oben war die Herzdame.
    »Heilige Scheiße. Sieh dir das an. Diese alte Lady verfolgt mich wie ein teures Flittchen.«
    »Nehmen Sie’s ihm nicht übel«, sagte sein Vater. »Er hat den ganzen Abend erst zwei Spiele gewonnen. Er und ich, wir sind Christen von der Kirche der Heiligen Verzückung. Wir sind Pennsylvanier, und wir sind stolz darauf. Wir arbeiten für den Herrn und teilen, was wir haben, und wir spielen nicht um Geld und trinken keine scharfen Sachen. Wer mit uns arbeitet und lebt, von dem erwarten wir, dass er sich von allem nimmt, was wir haben, und wir halten es genauso.«
    »So ist’s recht«, sagte Zebulon und war weg.
    Als er am nächsten Morgen aufwachte, war die Hütte leer. Sein Geld war weg, ebenso seine Stiefel, sein Colt und Delilahs Kette. Eine halbe Tasse kalter Kaffee war alles, was noch da war.
    Draußen blies ein scharfer nasser Wind von der Bucht herüber. Menschen gingen vor den Zelten und Hütten umher, kochten sich Frühstück und sprachen in fremden Zungen. Unter dem Hügel lagen wie Strandgut nach einem Tsunami die Hulks von Schonern, Briggs, Raddampfern, Dampfschiffen, Fähren, Schuten und Jollen. Ein paar größere Schiffe waren provisorisch in Saloons verwandelt worden, andere in Hotels oder Lagerhäuser. Eines davon war die
Rhinelander
. Sie hatte alle drei Masten eingebüßt, und quer über ihr Heck stand geschrieben: RHINELANDER HOTEL BETTEN 75 CENT
    Er trank den Kaffee aus und wickelte sich dann Lumpen um die Füße. Den noch schwelenden Kohlen ausweichend, humpelte er den Hügel hinunter, vorbei an den verbrannten Resten von dem, was einmal Hütten gewesen waren. Als er bei der
Rhinelander
ankam, bluteten seine Füße, und die Hosenbeine hingen ihm in Streifen von der Hüfte.
    An Deck wimmelte es von Goldsuchern und Leuten, die vor der Feuersbrunst geflohen waren, und alle hüteten eifersüchtig ihre Vorräte. Da er niemanden von der Besatzung oder den Passagieren wiedererkannte, ging er unter Deck.
    Kapitän Dorfheimer lag in einem seidenen Hausmantel auf der Koje seiner Kajüte und starrte an die Decke, an der in einer frisch gemalten Milchstraße Hunderte von Sternen rote und grüne Planeten umkreisten.
    Langsam, als bereite ihm jedes knacksende Gelenk qualvolle Schmerzen, raffte sich der Kapitän auf und taperte zu dem Stuhl hinter seinem Schreibtisch hinüber. Den Kopf zwischen den Händen, starrte er Zebulon ausdruckslos an.
    »Wie ich die Vergangenheit fürchte und verabscheue, wenn sie unangemeldet aufkreuzt.«
    »Ich bin gekommen, um mit Ihnen abzurechnen«, sagte Zebulon.
    Dorfheimer seufzte und massierte sich den Nacken. »Wenn das nur möglich wäre. Meine Offiziere und meine Besatzung haben mich verlassen, wegen der Goldfelder. Bis auf den letzten Mann. Haben mich zurückgelassen, damit ich hier verfaule. Verstehen Sie mich nicht falsch, die Lage wird sich wieder bessern. Ich muss durchhalten. Gutes Essen servieren. Für frische Bettwäsche sorgen. Dann zahlen sie das Doppelte, und ich kann dieses verfluchte Land hinter mir lassen, um nie, Gott helfe mir, nie wieder zurückzukehren.«
    Er zog eine Schublade auf und nahm eine ausgerissene Zeitungsseite

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