ZECKENALARM IM KARPFENLAND
gesaugt. Die Tatwaffe steckte, frisch gespült, an ihrem angestammten Platz im Messerblock. Nein, er hatte nichts vergessen. Gott sei Dank gelang es ihm noch, ein Kondom überzuziehen, bevor sich die Sexsüchtige auf ihn setzte. Mit Grauen dachte er an das Blut an seinen Händen und auf seinem Körper. Das warme Blut, welches pulsierend und in Strömen aus dem Rücken des fast nackten Körpers hervor sprudelte. Welch eine Wohltat, als er unter der heißen Dusche stand und sich die klebrige Flüssigkeit von seinem Körper waschen konnte. Er hatte fast eine halbe Flasche Sagrotan verbraucht, um die Duschkabine wieder glänzend und ohne verräterische Spuren zu hinterlassen. Er musste sie umbringen, diese Nymphomanin, dieses Plappermaul. Daran bestand kein Zweifel. Sie wusste zu viele Details über ihn, konnte der Polizei wertvolle Hinweise geben. Hinweise über sein Interesse an der Adoption vor mehr als achtunddreißig Jahren. Mit diesem Wissen wäre ihm die Polizei sehr schnell auf die Schliche gekommen. Dieses Risiko musste er unter allen Umständen vermeiden.
Viel mehr Sorgen bereitete ihm, was ihm die Tote über die Neugierde der Polizei und dieser alten Hexe, Kunigunde Holzmann, berichtet hatte. Was war da im Gange? Irgendetwas lief da aus dem Ruder. Aber was? Er hatte keine Erklärung dafür. Hatte Beatrice Riu-Krummbauer noch jemandem über den Adoptivfall berichtet? Er hatte keine Anzeichen dafür gefunden. Keine Notizen, Zettel oder Ähnliches. Vorsorglich hatte er sogar die Festplatte aus ihrem Computer ausgebaut und ihr Mobiltelefon mitgenommen. Ach ja, Mobiltelefon und Festplatte. Die lagen immer noch in seinem Kofferraum. Er ärgerte sich, dass er vergessen hatte, sie mitzunehmen. Er wollte sie doch im morastigen Schlamm des Weihers entsorgen. Das würde er noch erledigen, nachdem er zu seinem Wagen zurückgekehrt war. Er hatte den Wald verlassen und passierte nach wenigen hundert Metern die freie Fläche der Spiel- und Grillplätze, dort wo sich im Sommer, insbesondere an den Wochenenden, hunderte von Badegästen tummelten. Nun lag die Fläche stumm und verlassen in der Stille der Nacht. Die ersten abgefallenen Blätter der Laubbäume sammelten sich auf den feuchten, kalten Rasenflächen. Bald würden hier Haufen abgefallenen Laubes liegen, und die aggressiven Herbstwinde würden sie weit auf die trübe Wasseroberfläche hinaustragen. Der Mörder kehrte zu seinen ursprünglichen Gedankengängen zurück. Was war als Nächstes zu tun? Er musste unbedingt herausfinden, was die alte Hexe, Kunigunde Holzmann, im Schilde führte. Sie hatte ihm schon einmal den Spaß verdorben, als sie auf die Idee kam, den Leichnam von Johannes Sapper einer Autopsie unterziehen zu lassen. Sie war doch mit diesem Kommissar, diesem einfältigen Gerald Fuchs verwandt? Gab es da vielleicht einen Zusammenhang für das unverständliche polizeiliche Interesse? Es blieb ihm nichts übrig, er musste sich kundig machen, und er wusste auch schon wie. Wie gut doch so ein einsamer, nächtlicher Spaziergang war. Er reinigte das Gehirn, die Gedanken wurden wieder klarer. Als er wieder bei seinem Ford angekommen war, öffnete er den Kofferraum, griff sich die Festplatte des Computers und nahm das Mobiltelefon von Beatrice Riu-Krummbauer heraus. Dann schritt er nochmals eilig ein paar hundert Meter am Zaun des Sportgeländes entlang, bis er wieder den Weiher erreicht hatte. Mit einem weit ausholenden Schwung entsorgte er Festplatte und Telefon in der Nähe der Bootsanlegestelle in das dunkle Wasser des Sees. Schmatzend nahm die Wasseroberfläche die beiden Gegenstände in sich auf und schloss sich sofort wieder über ihnen. Nur ein paar Ringe deuteten an, dass an dieser Stelle noch etwas in Bewegung war. Einen dreiviertel Meter tiefer senkten sich die Festplatte und das Mobiltelefon in die weichen, schwarzen, morastigen Massen des stinkenden Untergrunds. Die Blaualgen im Wasser, durch die kurz vorher zwei Löcher gerissen wurden, vereinten sich wieder, und nichts deutete mehr auf die kürzliche Anwesenheit eines perfiden Mörders hin. Der hatte zwischenzeitlich seinen Ford Focus rückwärts aus dem verlassenen Parkplatz gefahren und machte sich auf die letzten sieben Kilometer seines Nachhauseweges. Gott sei Dank, es war Samstag. Er konnte ausschlafen.
Erlangen, Hofmannstraße, Montag, 8. Oktober 2012
Das Polizeiaufgebot war enorm. Reporter lauerten hinter dem rot-weißen Flatterband, welches ihnen ein näheres Herankommen an das Anwesen
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