203-555-3939. Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, dass Sie April für dieses Halbjahr bei sich aufnehmen. Bei allem, was die vergangenen paar Jahre geschehen ist, hängt sie allem Anschein nach ziemlich an Westport und ihrem Leben hier, daher verstehe ich auch ihren Widerwillen fortzuziehen. Ich bin sehr froh, dass wir zu dieser Lösung gefunden haben. Ich überweise jeweils zum Ersten des Monats Geld auf Aprils Bankkonto, davon wird sie Ihnen vierhundert geben für Miete und Verpflegung. Danke auch, dass Sie dafür sorgen, dass sie meine Regeln befolgt – vor allem, dass sie die Sperrstunde einhält (22 Uhr). Wir leben in einer gefährlichen Welt. Und wie wir alle wissen, brauchen Teenager gewisse Grenzen.
Beste Grüße
Jake
Von meinem BlackBerry gesendet
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E-MAILS ZWISCHEN DER ECHTEN SUZANNE CALDWELL UND DEM FALSCHEN JAKE BERMAN
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Von: Jake Berman
Datum: Sonntag, 28. Dezember, 21:10
An: Suzanne Caldwell
Betreff: RE: April
HEILIGE SCHEISSE
Vi war echt genial und schlimm. Ein launisches Genie, voll Selbstvertrauen – und richtig schlimm.
DER UMZUG
»Das war’s?«, fragte mein Dad, nachdem er die letzte Kiste mit einem Rums auf zwei anderen abgestellt hatte, die in meinem neuen Zimmer standen.
Die Decke war niedrig, die Wände grell weiß gestrichen (fast schon fluoreszierend), der Raum roch entfernt nach abgelaufenem Joghurt, und vom Fenster aus sah man auf die Mülltonnen. Aber all das war jetzt meins. All das gehörte mir. Mein Magen hatte nicht aufgehört zu flattern, seit wir heute Früh hierhergekommen waren.
Mein Dad lehnte sich vor, verschränkte die Hände vor sich und streckte den Rücken durch. »Und du brauchst beim Auspacken auch bestimmt keine Hilfe? Ich hab Zeit, Liebes. Ich helf dir doch gern.«
»Nein, nein, Vi und Marissa sind ja hier, um mir zu helfen. Geh du mal zurück zu deinen eigenen Kisten.« Ich schluckte. »Ich meine, vielleicht wollen ja die Umzugsleute irgendwas von dir wissen.« Sie würden heute Abend in den Flieger steigen.
Vi, die mit gekreuzten Beinen auf meinem neuen Futonbett saß, zeigte mir heimlich den hochgereckten Daumen. Sie
trug schwarze Röhrenjeans und ein grünes Top, das ihr über die Schulter hing. Ich warf ihr ein verstohlenes Lächeln zu, aber trotz allem fühlte ich mich irgendwie allein gelassen.
»Ich weiß, ich weiß ...« Er zog mich in seine Arme. Er roch warm und nach Moschus, wie immer. »Ach, ich werde dich so vermissen, Prinzessin.«
Dann zieh doch nicht nach Cleveland, hätte ich am liebsten gesagt. Aber ich verkniff es mir. Weil, na ja, weil ich Dad zwar auch vermissen würde, aber er war es, der sich dafür entschieden hatte zu gehen. Mich hier zu lassen. Und außerdem stand ich kurz davor, den Traum einer jeden Sechzehnjährigen zu leben. Ein Haus am Strand. Keine Eltern. Partys, wann immer wir Lust hatten. Jungsbesuch, wann immer wir wollten.
»Ich werde dich auch vermissen«, sagte ich.
»Zu schade, dass ich nicht mit Suzanne sprechen konnte«, meinte Dad, wobei er die Stirn runzelte. Er betrachtete die Kellertreppe, so als hoffte er, Vis Mom könnte jeden Moment auftauchen, während Vi, Marissa und ich allesamt auf den Boden starrten. Sehr interessanter Bodenbelag. Ein alter ausgetretener beigefarbener Teppich lag dort. »Ich hatte gehofft, wir könnten noch einmal alles durchsprechen«, meinte Dad. »Und zwar persönlich.«
»Ich weiß«, meinte Vi. »Es tat ihr ja so leid, dass nichts aus dem Treffen wurde. Aber wie ich schon sagte, meine Großtante ist gestürzt und hat sich die Hüfte gebrochen, jetzt muss meine Mom sich um sie kümmern.«
»Sie ist wohl sehr gut zu ihrer Tante«, meinte mein Dad.
»Das ist sie wirklich«, bestätigte Vi nickend. »Sie hat mir ungefähr fünftausendmal gesagt, ich solle Ihnen ausrichten, wie leid es ihr tue.«
»Bitte sag ihr, mir tut es auch leid, dass wir uns nicht begegnet sind«, sagte Dad. Er ging die Treppe hoch, wir drei ihm dicht auf den Fersen.
Als wir oben angekommen waren, fühlte ich mich ganz leicht im Kopf, vielleicht, weil ich zu schnell gelaufen war, aber wahrscheinlich eher, weil mich jetzt eine unerwartete Panikattacke überkam. Und zwar eine echte, mit Atemnot und schwarzen Punkten vor den Augen und allem Drum und Dran.
Was, wenn mein Dad doch dahinterkam, was wir wirklich vorhatten ...?
Ich klammerte mich am Geländer fest, um nicht umzukippen. Ruhig, sagte ich mir.