Zehn (German Edition)
die Dame trotzdem, die Schachtel als Geschenk einzupacken. Unterdessen fing es wieder an zu regnen.
Tadaski bezahlte, und Haruka steckte das Geschenk in ihre Tüte.
Die U-Bahn war voller nasser Menschen, die Scheiben waren beschlagen, und Tadaski wurde müde. Die Vorstellung, nun noch bei einem Abendessen eine gute Figur abgeben zu müssen, fand er anstrengend.
»Was hast du für Miyu gekauft?«, flüsterte er Haruka zu. Die lächelte nur. »Nichts, was dich interessieren würde.«
Er merkte, wie ihn die Antwort nervte: »Doch, es interessiert mich!«
Haruka rollte mit den Augen: »Was für Frauen, Tadaski. Auf jeden Fall keine Krawatte!«
Fast hätten sie über ihre Kabbelei ihre Station verpasst. Schnellen Schrittes legten sie die vier Blocks zu ihrer Wohnung zurück.
Dann lief alles wie am Schnürchen. Haruka duschte zuerst. Tadaski ermahnte sie: »Beeile dich, in fünfundvierzig Minuten müssen wir wieder los!« Er hatte begründete Sorge, nicht pünktlich zu sein. Sie würden die U-Bahn wechseln müssen, und es regnete.
Während Haruka im Bad war, schaute Tadaski in die Geschenketüte. Er nahm beide Päckchen heraus: Sie waren identisch in Größe und Gewicht, und die Farbe des Papiers war fast dieselbe. Das eine dunkelblau und das andere grünlichblau. Tadaski war verwirrt. Da klingelte sein Handy. Es war Susuma, sein Arbeitskollege. »Tadaski-san, ich hoffe, du hattest einen guten Tag?« Susuma war ein paar Jahre älter, alleinstehend und redete zu viel. Auch er war zum Dinner eingeladen.
»Ich finde Takahashi-sans Adresse nicht, bist du so freundlich und gibst sie mir?«
Tadaski legte die Geschenke beiseite und suchte seine Arbeitstasche. In seinem Filofax fand er die Adresse. Er musste sie Susuma dreimal buchstabieren, bis dieser sie notiert hatte.
Mittlerweile war Haruka im Bad fertig, und es war an Tadaski, sich nun zu sputen.
Höflich wimmelte er Susuma ab und sprang unter die Dusche.
Das heiße Wasser tat gut, erst jetzt merkte er, wie durchgefroren er war.
Er wusch sich die Haare und überlegte sich mögliche Themen für die bevorstehenden Unterhaltungen. Das war zwar eher die Aufgabe des Gastgebers, aber Tadaski wollte in gutem Licht erscheinen und keine Gesprächspausen entstehen lassen.
Er arbeitete noch nicht so lange in der kleinen Werbefirma, und dies war das erste offizielle Abendessen, zu dem er und Haruka eingeladen waren. Tadaski war Grafiker und hoffte im nächsten Jahr auf mehr Verantwortung und eine Gehaltserhöhung.
Haruka klopfte an die Badezimmertür und drängte zur Eile.
Zehn Minuten später standen sie gemeinsam vor dem großen Spiegel im Flur. Haruka trug ein schlichtes Kleid mit flachen Schuhen und Tadaski einen dunkelblauen Anzug. Sie lachte: »Wir sehen so viel älter aus!«
Zum Glück hatte der Regen aufgehört. Tadaski hatte sich die Adresse auf einem kleinen Zettel notiert und überlegte, zu welcher U-Bahn-Station sie fahren sollten, da griff ihn Haruka am Arm: »Das Geschenk!« Sie hatten es vergessen. »Ich hole es!«, sagte Haruka und rannte los. Trotz ihres Kleides lief sie ziemlich schnell, vor Jahren war sie eine der Besten im Leichtathletikteam ihrer Schule gewesen.
Keuchend suchte sie im Wohnzimmer nach der Tüte. Tadaski hatte das Geschenk herausgenommen. Doch, Moment, da war noch die zweite verpackte Schachtel. Fast hatte sie Miyus Geschenk vergessen. Haruka wog die Päckchen in den Händen. Verwirrt dachte sie einen Moment lang darüber nach, dass die Yatsuhashi genauso viel wogen wie ein Massagestab. Sie überlegte. Die Zeit war knapp. Und sie wollte nicht Takahashi-sans Geschenkverpackung zerstören. Miyus Massagestab war das Paket mit dem dunkleren Papier, oder? Sie war unsicher. Dunkelblau war diskreter als grünblau. Jetzt war sie sich sicher. Das grünblaue Papier war moderner.
Sie schnappte sich das grünblaue Päckchen und beschloss, dass sich darin Takahashi-sans Yatsuhashi befanden.
Sie rannte zurück zu Tadaski, der ungeduldig von einem Bein aufs andere trat. Als sie wenige Minuten später in der U-Bahn saßen, lehnte sich Haruka an Tadaskis Schulter. »Was für ein Tag. Sag mal, wer kommt alles heute Abend?«
Tadaski überlegte. Susuma, der ältere Kollege, würde kommen. Dann sicher Masaru mit seiner Frau. Masaru war ebenfalls Grafiker und ziemlich arrogant, wie Tadaski fand. Fast hätte er Daichi vergessen, Takahashis rechte Hand. Daichi bewunderte er heimlich.
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