Zehn Milliarden (German Edition)
Mensch verfügt über hundert Milliarden Neuronen. Aber wenn man darüber nachdenkt, ist es nicht weiter erstaunlich, lebt doch zum Beispiel die Ratte ganz gut und clever mit bloß 65 Millionen Hirnzellen.«
»Aber - Maschinen können nicht denken«, stammelte Bob einfältig, und Vic pflichtete ihm bei:
»Bisher nicht.« Nick lächelte. Alles in ihm sträubte sich gegen solch kategorische Verneinungen, da sie niemals bewiesen werden konnten, und er wusste, dass Bob als Naturwissenschaftler genau so denken musste. Es gab kein Naturgesetz, das eine solche Entwicklung verbieten würde. Er sagte:
»Ich halte es mit Claude Shannon, dem Informationstheoretiker. Als er einmal gefragt wurde, ob Maschinen denken könnten, antwortete er: Selbstverständlich, ich selbst kann denken.« Bob beruhigte sich allmählich. Er musste den beiden recht geben, doch das änderte nichts am flauen Gefühl in seinem Magen. Ein fürchterlicher Gedanke schoss ihm plötzlich durch den Kopf.
»Das heißt, eine intelligente Maschine hat mich angegriffen?«
»Nicht angegriffen«, antwortete Vic. »Eine Bedrohung ausgeschaltet. Die Maschine hat natürlich keine Vorstellung davon, was eine Hand ist und wer dahinter steckt. Die Wahrnehmung des Netzwerks ist auf eine sehr kleine, überschaubare Welt beschränkt, und so etwas wie Gefühle werden sich kaum entwickelt haben. Umso weniger, als das Modell sich mehr oder weniger am Neokortex, an der äußersten Hirnrinde, orientiert und zum Beispiel das tiefer gelegene limbische System völlig außer Acht lässt. Wir Neurologen glauben, dass das limbische System für die Verarbeitung von Emotionen unerlässlich ist. Nein, eure Maschine ist ein Zombie mit beschränkter Intelligenz.«
»Kein Bewusstsein?« Vic schüttelte lächelnd den Kopf. Bob atmete auf. »Scheiße, ich hätte mich nicht mehr in dieses verdammte Labor getraut.« Beim Begriff Zombie war Nick nachdenklich geworden. Stammte daher die Bezeichnung Z-Box? Auf jeden Fall war diese Technologie ein Quantensprung in der Entwicklung komplexer Systeme, und sie war ohne Zweifel in die falschen Hände geraten. Er wollte etwas sagen, doch Vic war noch nicht fertig.
»Die Frage nach dem Bewusstsein ist übrigens vielleicht weniger wichtig, als man gemeinhin annimmt. Es gibt bis heute keine Hinweise, weshalb Bewusstsein für intelligente Wahrnehmung und intelligentes Verhalten notwendig ist. Man kann sich also vielleicht die Mühe sparen, Bewusstsein definieren zu wollen.«
»Was bisher sowieso noch nicht annähernd gelungen ist«, ergänzte Nick. »Wie auch immer, ich glaube, wir haben ein dringenderes Problem zu lösen. Wir müssen die ungebremste Lernfähigkeit dieser Netzwerke irgendwie kanalisieren und kontrollieren. Wenn wir sie schon nicht in die von uns gewünschte Richtung lenken können, sollten wir sie wenigstens eindämmen, bevor sie uns gefährlich werden kann.«
»Keine leichte Aufgabe bei unserem Bottom-up Ansatz. Wir können ja keine Verhaltensregeln von oben herab programmieren«, warf Vic ein. Jetzt war es an Bob, zu schmunzeln. Er hatte sich dieses Problem nach dem Unfall sehr gründlich überlegt und glaubte, eine wenigstens vorläufige, grobe Lösung gefunden zu haben. Er skizzierte seinen Ansatz, der auf einer verblüffend kleinen Programmänderung beruhte.
»Das könnte funktionieren«, sagte Nick sinnierend.
»Eine Art Software-Neuroleptikum, wenn ich euch richtig verstehe«, sagte Vic überrascht. »Ihr wollt die Reizübertragung dämpfen, ähnlich wie Neuroleptika die Übertragung des Neurotransmitters Dopamin in den Synapsen der Nervenzellen hemmen. So bekommt man heute Psychosen in den Griff.«
»Passt«, bemerkte Bob sarkastisch.
»Ausgezeichnet, damit hätten wir den wissenschaftlichen Teil des Problems gelöst, falls die Methode funktioniert. Bob, können wir das anschließend anpacken?« Bob nickte.
»Und der andere Teil?«, wollte er wissen. Nick hatte diese Seite des Problems schon eingehend mit Vic diskutiert, und er ging davon aus, dass Bob ähnlich dachte. Emotionslos, als rede er über den Impulssatz, sagte er:
»Die Z-Box der Air Force muss zerstört werden.« Bob lachte auf, doch das Lachen blieb ihm bald im Hals stecken, als er bemerkte, dass sein Freund keineswegs scherzte.
»Du bist wahnsinnig. Nicht, dass ich deine Absicht nicht verstehe, aber wie willst du das anstellen?«
»Wo ein Wille ist, ist ein Weg, sagt man«, grinste Nick.
»Mal angenommen, du könntest da einfach reinspazieren. Willst
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