Zehn Milliarden (German Edition)
sie ihr Telefon nie eingeschaltet, obwohl sie eine wichtige Nachricht erwartete. Ungeduldig wartete sie, bis das Gerät betriebsbereit war und rief dann ihre Mail ab. Der übliche Spam landete automatisch im Abfalleimer, doch eine Meldung von der NanoClin-Zentrale blieb im Eingangsfach hängen. Nachdenklich starrte sie das Telefon an, nachdem sie die Mitteilung gelesen hatte. Jetzt folgt der schwierige Teil , dachte sie mit flauem Gefühl im Magen und stieg die paar Treppenstufen zum Cockpit hinauf.
»Schlechte Neuigkeiten?«, fragte er besorgt, als er ihren ernsten Gesichtsausdruck sah.
»Nein.« Sie zögerte. »Eigentlich sehr gute.« Wieder machte sie eine Pause und schaute ihn etwas hilflos an.
»Aber?«
»Die gute Nachricht kommt zum falschen Zeitpunkt«, murmelte sie resigniert und schmiss das Handy verärgert in eine Ecke.
»Dann wird es wohl nicht so schlimm sein«, versuchte er sie zu trösten. Er legte seinen Arm um ihre Schultern und wollte sie küssen, doch sie entzog sich ihm sofort.
»Schlimmer. Die Firma - sie haben mir einen sensationellen Job am Hauptsitz im Silicon Valley angeboten, sofort.« Er begriff erst nicht, bis ihn die Bedeutung dieser Nachricht wie ein Blitz traf.
»Du gehst weg aus L. A.!«, stöhnte er. Oh mein Gott, Nick, du verlierst sie schon wieder! , dachte er verzweifelt. Sie fühlte einen Stich im Herzen, als sie sah, wie verletzt er reagierte, und gleichzeitig durchlief sie eine wohlige Wärme. Er wollte in ihrer Nähe sein.
»Du könntest ablehnen«, sagte er ohne große Hoffnung mit belegter Stimme, doch sie schüttelte den Kopf.
»Nick, ich möchte nicht von hier weg. Nicht jetzt, wo wir uns kennen gelernt haben, das weißt du. Aber - ich kann das Angebot nicht ablehnen. Vor einiger Zeit habe ich selbst um eine Versetzung gebeten. Ich wollte weg aus den Augen dieses Stalkers. Und jetzt kann ich in Mountain View eine neue Forschungsabteilung für Krebsdiagnose aufbauen. Nick, die wollen mich unbedingt.« Sie blickte ihn traurig an. »Ich kann diese Chance nicht sausen lassen, verstehst du das?« Er kämpfte mit sich. Der Wissenschaftler in ihm verstand nur allzu gut, was dieses Angebot für sie bedeuten musste, aber der verliebte Junge, der egoistische Nick, der eben erst einen flüchtigen Blick in eine völlig neue Welt geworfen hatte, wollte nicht loslassen.
»Aber ...«, begann er zögernd, doch die Enttäuschung übermannte ihn. Er wandte sich ab und konnte einen Fluch nicht unterdrücken. »Scheiße - entschuldige. Das kommt alles ziemlich überraschend.« Gut, lass es raus , dachte sie und wagte ein zaghaftes Lächeln.
»Es tut mir leid Ich hätte dir früher davon erzählen sollen. Du hast allen Grund, dich über mich zu ärgern.«
»Ich ärgere mich nicht, Julie«, antwortete er und warf ihr einen beinahe ängstlichen Blick zu. »Ich möchte dich einfach nicht wieder verlieren. Du bist das Beste, was mir bisher begegnet ist.« Sie schmiegte sich zärtlich an ihn und ihre Lippen verschmolzen mit den seinen, bis er ihre Umarmung zaghaft erwiderte.
»Ich verlasse dich ja nicht, ich ziehe nur etwas weiter weg«, flüsterte sie. Läppische fünfhundert Kilometer , dachte er niedergeschlagen; verfluchter Mist!
Der prächtigste Sonnenuntergang konnte Nick an diesem Abend nicht auf seine Terrasse locken. Am Boden zerstört war er aufs Sofa gekippt und lag da nach zwei Stunden noch immer unverändert, mit leerem Blick, halb dösend auf dem Rücken. Es hätte sein schönster Tag seit langem werden können, und nun hatte eine profane e-Mail die Illusion gründlich zerstört. Julie wusste genauso gut wie er, dass ihre junge Beziehung auf so große Distanz auf die Dauer nicht überleben würde. Aber was konnte er tun? Er verstand ihre Entscheidung, und er konnte sie nicht akzeptieren; ein klassischer Gordischer Knoten. Es war dunkel geworden, doch er spürte keine Lust, sich schlafen zu legen, auch wenn er morgen früh ausgeruht zur Montagssitzung erwartet wurde. Er hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Missmutig zog er sich aus und ging zur Dusche. Das warme Wasser tat seinem Körper gut, doch seine trüben Gedanken ließen sich nicht vertreiben. Er musste dieses Problem lösen, musste etwas unternehmen, vorher würde er keine Ruhe mehr finden. Selbst das Geräusch des Wasserstrahls erschien ihm plötzlich verändert, ungewohnt. Er drehte den Hahn zu und horchte. Das Telefon! Klatschnass und nackt wie er war eilte er in großen Sätzen zum Apparat.
»Habe
Weitere Kostenlose Bücher