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Zehn Milliarden (German Edition)

Zehn Milliarden (German Edition)

Titel: Zehn Milliarden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Plötzlich tauchte der wutschnaubende Dünne mit hochrotem Kopf auf. Er hatte eine Waffe in der Hand, und der Lauf zeigte genau auf Nick. Sie trieben noch etwas weiter ab, waren jedoch noch keineswegs in Sicherheit. Endlich fiel der Groschen. Nick riss Emilys Pistole aus seiner Tasche und feuerte ohne zu zielen. Der Schuss peitschte durch die stille Gracht, Holz und Metall splitterten, und die glühend heiße Kugel fand ihren Weg in die Wohnküche, wo sich mittlerweile ein hoch explosives Gemisch aus Butangas und Luft gebildet hatte. Mit ohrenbetäubendem Knall, in einem grandiosen Feuerball, flog Hansjes schwimmende Wohnung in die Luft, und mit ihr der dünne Luuk, dessen Hand noch immer die Pistole umklammerte, und aus dessen Brust ein schwarzer Holzsplitter ragte, als hätte ihn Professor van Helsing gepfählt. Trümmer regneten auf das aufgewühlte Wasser und ins kleine, gefährlich schwankende Boot, wo sich Nick schützend über seine Schwester geworfen hatte. Der Schuss und die heftige Explosion hatten Emily endlich aus ihrem Delirium gerissen.
    »Nick - du - was ist los?«, stammelte sie mit aufgerissenen Augen. Er beruhigte sie und erzählte ihr in wenigen Worten was geschehen war, während er erneut versuchte, den Motor anzuwerfen.
    »Der Benzinhahn«, sagte Emily und lächelte das erste Mal seit er sie gefunden hatte.
    »Ich Idiot«, grinste er verlegen. »Physiker und unfähig, einen Motor zu starten.« Er öffnete das Ventil und diesmal sprang die Maschine problemlos an. Das Boot nahm rasch Fahrt auf. Vor ihnen mündete der Kanal in ein breiteres und viel belebteres Gewässer. Das musste die Binnen Amstel sein. Als er rechts abdrehte, warf er zum ersten Mal einen Blick zurück. Die Gracht lag wieder ruhig in der Mittagssonne, nur das brennende Heck des Wohnboots, das noch aus dem Wasser ragte, und die heulenden Sirenen der heranrasenden Feuerwehr- und Polizeiautos störten die Idylle. Plötzlich erinnerte er sich wieder an die Pistole. Im ganzen Durcheinander hatte er sie völlig vergessen. Wo war sie? Er musste das Ding sofort loswerden.
    »Was suchst du?«, fragte Emily irritiert.
    »Die Artillerie, deine Pistole, mit der ich Hansjes Schiff versenkt habe.«
    »Hier ist sie nirgends, du wirst sie wieder eingesteckt haben.« Er schüttelte den Kopf, er hatte sie wohl vor Schreck ins Wasser fallen lassen. Was ihn beunruhigte war einzig, dass er sich nicht mehr daran erinnerte.
    »Hast du eine Ahnung wo wir sind?« Emily schaute sich um und nickte.
    »Die große Brücke hinter uns ist die Blauwbrug, dann liegt hier rechts hinter den Bäumen der Waterlooplein. Das ist gut, bieg da vorne wieder rechts ab, dann können wir aussteigen.« Nick begann sich zu entspannen, er hatte seine Schwester gefunden, das war das Wichtigste. Sie waren in Sicherheit.
    Doch er hatte sich getäuscht, denn auf dem Uferweg hinter der Allee folgte ihnen ein Wagen, dessen Fahrer sie mit wutverzerrtem Gesicht und Argusaugen beobachtete. Hansje hatte eben am Steg geparkt, als der Schuss ertönte und sich das Wohnboot vor seinen Augen donnernd in seine Bestandteile auflöste. Den Schnösel, der sich an seinem Eigentum vergriffen hatte, würde er bis in die Hölle verfolgen. »Ich mach dich kalt, du kleiner Scheißer«, murmelte er immer wieder verbissen, während er das Boot der Flüchtigen verfolgte. An der Ecke, wo die Straße mit dem Flohmarkt begann, stiegen die beiden aus dem Boot. Er hielt an, ließ das Fahrzeug stehen und rannte mit einer Behändigkeit, die man dem Dicken nicht zugetraut hätte, hinter ihnen her. Es war ihm jetzt scheißegal, er würde sie auch mitten im Menschengewühl des Flohmarkts erschießen. Rücksichtslos drängte er sich durch die Käufer und Schaulustigen, an den Ständen mit knallbunten Kleidern, grellen Gemälden und alten Fiezen vorbei. Hinter einer stinkenden Frittenbude trat plötzlich ein langhaariger, bärtiger Straßenmusikant hervor, der hier sein mächtiges Xylophon aufstellen wollte. Hansje rannte geradewegs ins Instrument und stürzte.
    »He, können Sie nicht aufpassen?«
    »Fick dich, Klootzak!«, fluchte der Dicke, rieb sich das Schienbein, rappelte sich auf, und hielt wütend nach den beiden Flüchtigen Ausschau. Sie hatten die Hauptstraße überquert, waren kurz davor, in der Metrostation zu verschwinden. »Verflucht«, schimpfte er und rannte weiter. Ungeduldig und schwitzend wartete er, bis das Vierzehner Tram vorbeigefahren war, dann sprang er mit einem wütenden Satz weiter, direkt

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