Zehn Milliarden (German Edition)
sich in L. A. mit Emily treffen, und ich fliege mit ihm.«
»Gut, sehr gut, das freut mich für die beiden. Aber sei vorsichtig: mische dich ja nicht ein, wenn sie sich wiedersehen. Kleine Schwestern mögen das nämlich nicht.«
»Grosse noch weniger, ich weiß, keine Sorge.« Sie hätte noch lange mit ihm plaudern mögen, aber ein Blick auf ihren Bildschirm zeigte, dass sie eine dringende Meldung aus Nevada empfangen hatte.
»Nick, ich muss leider Schluss machen. Aber beeile dich gefälligst, ich habe nämlich eingekauft.«
»Jetzt bist du gemein. Ich fliege.«
Lächelnd setzte sie sich an den Computer und entschlüsselte Wegeners Nachricht. Sie bestand aus einem zweiseitigen Memorandum und einem dicken technischen Anhang. Genial , dachte sie mehrmals, während sie die Notiz las und die ersten Seiten der Beilage überflog. Das Team des Majors hatte ihre bisher verwendete Standardmethode zur Produktion der Nanobots radikal verbessert. Es war seinen Leuten offenbar gelungen, die Teilchen beinahe um den Faktor zehn zu verkleinern und gleichzeitig einfach in Massen zu produzieren. Die Herstellung und der Einsatz von Millionen, vielleicht sogar Milliarden dieser hochgradig vernetzten Bots war mit einem Schlag machbar geworden. Und Wegeners Z-Box bestand im Wesentlichen aus einer unübersehbaren Zahl solcher Nanostrukturen, die Teile der Gehirntätigkeit spiegelten und über raffinierte Schnittstellen mit den Sensoren und Waffensystemen kommunizierten. Sie musste unwillkürlich an Nicks Bericht über das Blue Brain Projekt in Lausanne denken. Was dort noch eine ausgeklügelte Computersimulation war, die das Verhalten der NCCs, der Neocortical Columns und anderer Neuronenstrukturen erklären sollte, war mit dieser Technologie schon nahezu Realität geworden.
Von diesen neuen Möglichkeiten würde auch ihr Projekt Alex profitieren. Die Nachahmung der Spiegelneuronen würde noch perfekter, die jetzt schon ganz erstaunlichen Fähigkeiten der künstlichen Arme und Hände, die sie heute besprochen hatten, wären kaum mehr von ihrem natürlichen Vorbild zu unterscheiden. Sie musste diese Technik ins Projekt übernehmen, keine Frage. Wie aber sollte sie es anstellen, die wahre Quelle des neuen Verfahrens zu verschleiern? Niemand in ihrem Team, und schon gar nicht Nick, durfte etwas von Area 52 und dem Projekt Z erfahren. Sie zermarterte sich den Kopf über diesem Problem, während sie wie üblich eine Sicherheitskopie der neuen Dokumente auf ihren geheimen USB Speicherstick kopierte und verschlüsselte. Bei der Eingabe des Schlüssels schmunzelte sie, er erinnerte sie an die schönsten Augenblicke seit sie Nick kennen gelernt hatte. Ein Summton ertönte und eine kurze Meldung erschien auf ihrem Bildschirm: Zeit für die Besprechung mit Gifford. »Mist«, schimpfte sie laut. Auf diese nervtötenden Statussitzungen hätte sie liebend gerne verzichtet, umso mehr, nachdem er offen gedroht hatte, sie auffliegen zu lassen. Sie hoffte, dass dies das letzte dieser Meetings war, sollte sich das nächste Mal doch Nick wieder mit der Eule amüsieren. Sie nahm ihre Notizen und eilte in den West Wing, wollte die Sache rasch hinter sich bringen.
»Oh, Entschuldigung - Tag Julie«, rief der Mann, der aus Joes Büro stürmte und sie beinahe rammte, bevor er im Treppenhaus verschwand. Sie rümpfte die Nase und schnauzte Gifford ungewollt heftig an, als sie eintrat:
»Was will den der Kerl hier? Wir haben doch ausgemacht, dass er sich nicht in dieser Gegend blicken lässt. Was soll das?«
»Treten Sie doch ein, Julie«, antwortete Gifford trocken. »Er wird wieder verschwinden. Was regen Sie sich so auf?«
»Sie wissen genau, weshalb«, entgegnete sie aufgebracht. »Kann er nicht wenigstens einmal seine verdammte Garderobe wechseln?«
Los Angeles
Flammen, rund um sie herum loderten Flammen, züngelten bedrohlich immer näher. Emily saß gelähmt vor Entsetzen auf ihrem Stuhl, Arme und Beine gefesselt, die Glieder schmerzten. Sie wollte schreien, doch ihre trockene Kehle brachte keinen Ton zustande. Sie spürte eine leichte Berührung auf ihrer Schulter. Ein wunderschöner Engel mit rotem Haar lächelte ihr wehmütig zu und entschwand in der zischenden Feuersbrunst.
»Rose?«, flüsterte sie voller ängstlicher Hoffnung. War Rose zurückgekehrt, um sie aus dieser Flammenhölle zu retten. Ihre Rose, mit der sie in Amsterdam viel mehr als nur geschäftliche Beziehungen gepflegt hatte? Wieder spürte sie die Berührung, diesmal
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