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Zehn Milliarden (German Edition)

Zehn Milliarden (German Edition)

Titel: Zehn Milliarden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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die Taste für die Tiefgarage. Vielleicht hatten sie die Garagenausfahrt blockiert, aber das störte ihn nicht. Als er aus dem Aufzug trat, schaute er sich vorsichtig um, horchte und schob dann beruhigt den Wagen mit den Laborkleidern in eine Ecke. Den Notausgang durfte er nicht benutzen, der würde sofort Alarm auslösen. Seine einzige Chance war, das Garagentor zu öffnen und blitzschnell in der Dunkelheit zu verschwinden, bevor sie ihn auf den Überwachungsmonitoren sehen konnten. Er drückte den Knopf. Das Tor begann nach oben zu schwingen. Kaum war der Spalt groß genug, rollte er unter dem Tor hinaus und sprang geduckt in die Sträucher neben der Auffahrt. Ohne sich umzusehen stürmte er durch das Gebüsch in weitem Bogen ums Gebäude zum Pfad, der zu seinem Haus führte. Wenn er Glück hatte, waren sie noch nicht dort. Immerhin wussten sie ja nicht, dass er es war, der sich ins Netz gehackt hatte. Alles war still ums Haus. Im spärlichen Licht der entfernten Straßenbeleuchtung schloss er die Tür auf. Drinnen empfing ihn der schwere, süßliche Duft welkender Blumen. Julie umgab sich gern mit farbenfrohen Sträußen. Julie! Einen Moment hielt er inne. Er war im Begriff, dieses Leben hinter sich zu lassen, die gemeinsame Zeit gleichsam wegzuwerfen - aber hatte sie das mit ihrem Verhalten nicht schon längst getan? Verbissen stopfte er ein paar Kleider und Toilettensachen in seine große Reisetasche, als würde er nur kurz übers Wochenende wegfahren. Das Taxi, das er unterwegs angerufen hatte, war da. Bevor er das Haus verließ, schaute er sich nochmals um. Hatte er nichts Wichtiges vergessen? Beim Anblick der Blumen drehte sich ihm beinahe der Magen um. Er kämpfte gegen die Tränen, riss einen Zettel vom Notizblock neben dem Telefon und legte ihn auf den Tisch. Nur ein Wort schrieb er auf seine letzte Nachricht an Julie: warum?
    »Union Station«, sagte er zum Fahrer. Unbehelligt verließ das Taxi College Park und fuhr auf dem Highway 1 nach Süden. Nick wusste, wohin die Reise ging, aber er hatte keine Ahnung, wo sie ihn hinführen würde. Seine Welt war kalt und leer.
Marina del Rey
     
    So kam er nicht zur Ruhe. Nach einer Stunde ziellosen Kreuzens in der Bucht von Santa Monica gab Nick auf. Je länger er mit seinem Problem allein fertig werden wollte, desto verbitterter wurden die Vorwürfe, die er Julie und sich selbst machte, desto verzerrter wurde seine Wahrnehmung und desto auswegloser erschien ihm seine Lage. Wenn das so weiterging, konnte er gleich ins Wasser springen. Seine Flucht hatte ihn zwar viertausend Kilometer vom Ort des Verrats weggeführt, aber er sah ein, dass diese Distanz keine Rolle spielte. Er wendete das Boot und nahm Kurs auf den Hafen. Zehn Minuten später fuhr er wieder in den Hauptkanal der Marina ein. Bald nach der Abzweigung zum Fiji-Seitenkanal hatte er freie Sicht auf seine Anlegestelle. Seine Schwester stand am Dock und wartete seelenruhig, bis das Boot vertäut war. Seine kurze Nachricht vom Vorabend hatte sie wohl aufgeschreckt.
    »Emily, du siehst blendend aus«, begrüßte er sie mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange. Das Kompliment ließ sie kalt.
    »Was ist los, Nick?« Sie blickte ihn forschend an.
    »Es ist aus«, antwortete er scheinbar gelassen.
    »Was meinst du damit? Nun mach schon den Mund auf! Deine Nachricht war nicht sehr erhellend. Warum bist du hier?« Er schaute ihr traurig in die Augen.
    »Willst du die lange oder die kurze Geschichte?«
    »Alles, du wirst mir alles haarklein beichten, Brüderchen.« Er lächelte müde und schlug das Hafencafé vor. Das Gespräch würde einige Zeit dauern. Reden tat gut. Mit der Zeit begann er sich besser zu fühlen, als könnte er wieder freier atmen. Emily hörte geduldig zu, bis er geendet hatte. Eine Weile saßen sie sich schweigend gegenüber, dann überraschte sie ihn mit den Worten: »Du verstehst nichts von Frauen.«
    »Wie bitte?«
    »Ich erklär’s dir. Julie hat dich tief verletzt, keine Frage. Aber sie hat monatelang mit dir zusammengelebt, hat dich geliebt, hat beinahe Kopf und Kragen für dich riskiert in Vegas. Ihr habt wunderbar und erfolgreich zusammengearbeitet, habt zusammen gelacht und vielleicht auch geweint. Nick, keine Frau kann einem halbwegs intelligenten Mann so was über Monate oder Jahre glaubhaft vorgaukeln. Sie würde daran zerbrechen.«
    »Aber ...«
    »Nichts aber. Ich verstehe, dass du gekränkt bist, aber du solltest jetzt nicht die beleidigte Leberwurst spielen.« Sie ergriff seine

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