Zehn Milliarden (German Edition)
an.
»Sie rufen früh an«, meldete er sich mit verschlafener Stimme.
»Ich weiß, aber es ist wichtig.« Er hörte sich ihren Bericht ohne zu unterbrechen an, doch kaum hatte sie geendet, rief er aus:
»Großartig, Julie. Ich glaube, Sie haben recht mit ihrer Vermutung. Die Selbsterneuerung könnte der endgültige Durchbruch sein, der endgültige Durchbruch. Senden Sie uns die Software, sobald sie angepasst ist. Großartig.« Für ihn war offenbar sofort klar, dass die Nanobots lediglich neu programmiert werden mussten, um die gewünschte Fähigkeit zu erhalten. Wahrscheinlich hatte er recht, musste sich Julie eingestehen. Es war abzusehen, dass ihre Anwesenheit in Area 52 erforderlich würde, sobald die Programmierung soweit war. Gereizt sprang sie auf und begann, nervös im Zimmer auf und ab zu gehen. Mit welcher Ausrede sollte sie eine Abwesenheit von einer oder zwei Wochen diesmal begründen? Langsam aber sicher hatte sie genug von diesem Versteckspiel. Sie musste Nick irgendwann in nächster Zeit einweihen. Wie oft hatte sie sich dies schon vorgenommen, doch jedes Mal hatte sie der Mut verlassen. Sie durfte ihn nicht verlieren!
Drei Wochen später war es soweit. Gifford und Wegener hatten sie nach Nevada beordert, und wie stets bisher fügte sie sich widerwillig. Nick glaubte, ihre Kollegen in Berkeley hätten sie zu einer Arbeitswoche nach Kalifornien eingeladen. Eine Bitte, die sie ihnen schlecht ausschlagen konnte, nachdem sie die verbesserte Technologie zur Verfügung gestellt hatten. Nach diesem Einsatz ist Schluss , dachte sie verdrossen. Es war Zeit, reinen Tisch zu machen.
Die Abende ohne Julie waren lang und leer. Nick saß spät nachts noch in seinem Büro am Computer und blätterte gelangweilt durch die News-Seiten. Was sollte er allein zu Hause herumsitzen? Er hätte wohl nichts anderes getan als hier. Mechanisch klickte er sich durch die Informationen, die ihn im Grunde genommen nicht interessierten. Events , las er auf einer der Seiten des IARPA Intranets, die er sich noch nie angesehen hatte. Feste, Skiausflug, Schachturnier, Aktivitäten, die man in einer durchschnittlichen Firma zum Zweck der Teambildung organisierte. Er hatte sich noch nie dafür interessiert. »Mich wundert, dass die hier so etwas machen«, brummte er halb überrascht, halb angewidert. Er blätterte schnell weiter, doch nach ein paar Klicks hielt er plötzlich inne. Irgendetwas war ihm aufgefallen, aber er konnte nicht lokalisieren, was es war. Er überflog nochmals die letzten paar Seiten. Da! Unter Events war ein Foto abgebildet, das ihn stutzen ließ, ein Schnappschuss vom letzten Oktoberfest. Der Mann, der mit vollem Bierkrug auf einer Bank stand, wäre ihm nicht weiter aufgefallen, hätte er nicht einen gelb-schwarz gestreiften Pullover getragen. Wie ein Schlag traf ihn die Erkenntnis: Die Wespe! Ein Klick auf das Foto führte ihn zu einem kurzen Bericht über das feucht-fröhliche Fest im Bierzelt. Eine vergrößerte Version des Bildes bestätigte seinen Verdacht. Kein Zweifel, der Mann glich auffallend Julies Stalker. Er las die Bildunterschrift: Ross spielt den Einpeitscher - wie üblich . »Ross«, murmelte er verstört. Aufgrund des Texts musste der schon länger bei diesem Verein sein. Er scrollte nach unten. Der Bericht vom Oktoberfest des Vorjahres folgte, wieder mit Foto, und wieder dieser Ross. Der schien nur einen Pullover zu besitzen. Im Text fand er keinen weiteren Hinweis auf den vollen Namen der Wespe.
Er wollte weiter scrollen, doch sein Blick haftete am Foto. Erst hatte er die zweite bekannte Person nicht bemerkt, weil er nie und nimmer damit gerechnet hatte, sie auf diesem Bild zu sehen. Sekundenlang starrte er gelähmt und ratlos auf das Foto, bis sein Verstand begriff, wer hier dem Mann im Wespenpullover zuprostete. Sein Herz begann zu rasen, pumpte einen Schwall heißen Bluts in seine Schläfen, der ihm einen schmerzhaften Stich versetzte. Die Frau auf dem Bild war nur allzu deutlich zu erkennen. Es war seine Julie, die sich offensichtlich köstlich amüsierte in der Gesellschaft ihres vermeintlichen Stalkers. Das kann nicht wahr sein, du irrst dich , redete er sich immer wieder ein, als wäre es ein heilendes Mantra. Fieberhaft suchte er nach weiteren Hinweisen zu Julies unbekannter Vergangenheit. Anfangs schämte er sich fast ein wenig, seine Geliebte, die er bestens zu kennen glaubte, auszuspionieren. Je mehr Hinweise über ihr Doppelleben auftauchten, desto fremder wurde sie ihm. Die
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