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Zehn Milliarden (German Edition)

Zehn Milliarden (German Edition)

Titel: Zehn Milliarden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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zu gewinnen, und das hatte bei Nick auch ausgezeichnet geklappt. Dass sie sich Hals über Kopf in ihn verlieben würde, war nicht geplant. Aus dem Spiel war plötzlich Ernst geworden. Sie verbrachte die glücklichste Zeit ihres Lebens mit ihm, aber auch eine Zeit der verpassten Gelegenheiten. Wie oft hatte sie ihm die Wahrheit beichten wollen, doch jedes Mal hatte sie der Mut verlassen. Die Angst, ihn zu verletzen, ihn zu verlieren, war stets stärker. Sie hatte die Katastrophe kommen sehen und nichts dagegen unternommen. Feige und schwach war sie, sie hasste sich. Ihre törichte Eitelkeit hatte sie dazu verleitet, dieses gefährliche Spiel zu spielen, weil sie zum innersten Kreis um Gifford und seine einflussreichen Freunde gehören wollte. Zu spät war ihr klar geworden, dass diese Leute sie nur benutzten. Er hatte die Aktivitäten in Nevada lange auch ihr verschwiegen. Was mochte er sonst noch hinter ihrem Rücken mit ihren Forschungsergebnissen getrieben haben?
    »Soviel zum inneren Kreis«, knurrte sie zornig. Sie ging ins Bad, um ihr Gesicht und ihr Haar wieder in Ordnung zu bringen. Nicks Zettel steckte sie behutsam gefaltet ein. Sie würde ihn wie einen Talisman stets bei sich tragen. Sie begann zu frieren und bemerkte erst jetzt, dass die Fenster noch immer sperrangelweit offen standen. Sie schloss sie und machte Licht. Die kühle Luft wirkte beruhigend, die Blockade in ihrem Kopf löste sich und allmählich konnte sie wieder klar denken. Ohne Hoffnung rief sie zum hundertsten Mal Nicks Telefonnummer an, und zum hundertsten Mal erreichte sie nur seine Mailbox. Sie ließ sich nicht mehr entmutigen, denn sie war entschlossen, ihre große Liebe zurückzugewinnen. Das war ihr bisher wichtigstes Projekt, und sie ging es mit der gleichen Sorgfalt und Leidenschaft an wie jedes ihrer beruflichen Vorhaben. Die zentrale Frage war: wie konnte sie Nicks Vertrauen wieder erlangen? Die Antwort fiel leicht, wenn man die Frage so stellte. Sie musste alles auf den Tisch legen. Keine Geheimnisse mehr, nichts verschweigen, keine Ausreden. Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Sein scharfer Verstand, durch seine Verletzung mit Sicherheit noch wachsamer, würde die kleinste Ungereimtheit, jede Ausflucht, sofort entdecken, und dann hätte sie ihn endgültig verloren, wenn es nicht jetzt schon zu spät war. Sie musste dafür sorgen, dass er alle wichtigen Informationen über ihr zweites Leben erhielt. Geheimhaltung hin oder her, sie hatte sich entschieden, was wichtig war in ihrem Leben, ihr Plan stand fest.
    Sie schaute auf die Uhr: bald zwanzig Uhr. Ausgezeichnet, Zeit, aufzubrechen. Mit ihrem Aktenkoffer eilte zum Gebäudekomplex der IARPA. Der ältere Nachtportier am Empfang grüsste sie freundlich mit Namen. Er hatte sie schon oft nachts im Büro angetroffen.
    »Ist Joe Gifford noch hier?«, fragte sie im Vorbeigehen. Der Mann schaute kurz auf seinen Bildschirm und schüttelte bedauernd den Kopf.
    »Mr. Gifford ist leider heute und morgen abwesend, Doctor.«
    »Oh - kein Problem, danke.« Die Auskunft beruhigte sie. »Mr. Sanders, ich habe noch eine Frage. Wissen Sie, ob die Reinigungskolonne schon bei meinem Büro vorbeigekommen ist? Ich hätte einiges zu entsorgen.« Wieder studierte der Nachtportier seinen Bildschirm.
    »Nein, ich denke nicht. Gemäß Plan sind zuerst die Büros im Westflügel an der Reihe. Soll ich Ihnen jemanden schicken?«
    »Nein, danke. In diesem Fall werde ich mich selbst darum kümmern. Schönen Abend noch.« Sie musste sich beeilen. Ungeduldig wartete sie auf den Lift, fuhr hinauf, und als sie sicher war, allein zu sein, rannte sie den Korridor entlang zum Gebäudeteil, wo Giffords Büro lag. Sie hatte Glück. Eine Putzfrau war im Raum nebenan beschäftigt, als sie seine Tür erreichte; die Tür, die stets geschlossen und mit speziellem Zugangscode gesichert war.
    »Entschuldigen Sie, sind Sie schon durch mit Mr. Giffords Büro? Ich müsste dort kurz etwas ablegen.« Die junge Frau richtete sich auf und blickte Julie überrascht an.
    »Hab ich eben fertiggemacht.« Nach einem Blick auf Julies Badge zog sie ihre eigene Karte hervor und sagte respektvoll: »Warten Sie, Dr. Picard, ich werde Ihnen aufschließen.« Julie bedankte sich lächelnd. Allein in Joes Büro begann sie, seine Ablagen systematisch durchzusehen. Wie nicht anders zu erwarten war, hatte der vorsichtige Mann einige Schubladen und einen Schrank abgeschlossen. Das dürften die interessanten Bereiche sein, dachte sie. Den

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